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Volkseigener Betrieb - VEB


Definition der VEB in der BRD 1994:

Volkseigener Betrieb (VEB), 1946-1990
In sozialistischen Volkswirtschaften vorkommende Eigentums- und Betriebsform für industrielle Produktionsbetriebe

Geschichte und Organisation:

Das in der DDR verfassungsrechtlich geschützte "Volkseigentum" ging aus verschiedenen Enteignungsvorgängen, aus Überführung von Gemeineigentum und aus den unter sozialistischem Recht erfolgten industriellen Neugründungen hervor. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg kam es in Form von Übernahmen eines Betriebes durch die Belegschaft, von Beschlagnahme durch die Besatzungsmacht und von rechtlich begründeten Betriebsenteignungen oder Aufteilungen landwirtschaftlicher Güter zu einer weitgehenden Umverteilung von Grundbesitz, Kapital- und Anlagevermögen ( Agrarpolitik, Wirtschaftspolitik). Die - z.T. erst nachträglich wirksam werdende rechtliche Grundlage dazu lieferte insbesondere SMAD-Befehl Nr. 124 ("Sequesterbefehl") vom 30.10.1945; er verfügte die "Beschlagnahme allen Eigentums des deutschen Staates, der NSDAP und ihrer Organisationen, der Verbündeten des Nazi-Reiches und darüber hinaus aller jener Personen, die von der SMAD durch besondere Listen oder auf eine andere Weise bezeichnet werden".

Die aufgrund dieser Anordnung beschlagnahmten ("sequestrierten") Industriebetriebe und Produktionsanlagen wurden z. T. von der SMAD übernommen, die daraus 'Sowjetische Aktiengesellschaften' (SAG) bildete und deren Produktionsleistung zum Ausgleich von Reparationsforderungen vereinnahmte. Die von den Sowjets nicht beanspruchten Besitztümer wie auch andere "herrenlose Handels-, Industrie- und landwirtschaftliche Unternehmen" wurden von den Landes- und Provinzialverwaltungen registriert und in zunächst provisorische Verwaltung genommen. Laut SMAD-Befehl Nr. 154/181 vom 21.5.1946 wurde dieser enteignete Besitz dann, bis zu einer "endgültigen Lösung des Eigentumsrechts an diesem Vermögen", den Landesbehörden zur Verfügung gestellt.

Dieser Beginn einer Neuordnung der Eigentumsverhältnisse vollzog sich in der Praxis so, daß von den Landesverwaltungen mit Einverständnis der SMAD im Dezember 1945 und Januar 1946 'Sequesterkommissionen' gebildet wurden, die jeweils dem Chef der Landes- bzw. Provinzialverwaltung unterstellt waren und deren Tätigkeit durch eine 'Zentrale Deutsche Kommission für Sequestrierung' koordiniert wurde. Überdies wurde in Sachsen am 30.6.1946 ein Volksentscheid über die "Enteignung der Naziaktivisten und Kriegsverbrecher" abgehalten, in dem sich 77,6 Prozent der Abstimmenden für ein entsprechendes Gesetz aussprachen. Auf dieses Resultat gestützt, erließen dann alle anderen Landesverwaltungen bis Mitte August des Jahres Enteignungsgesetze, die dem sächsischen Vorbild weitgehend entsprachen. Somit konnten die zunächst vereinzelt und spontan vorgenommenen, dann durch Befehl der Besatzungsmacht legitimierten Enteignungen schließlich nach deutschem Recht zu Ende geführt werden.

Viele dieser entschädigungslosen Enteignungen waren nicht unumstritten, und CDU und LDPD versuchten mit zunehmendem Druck Überprüfungen durchzusetzen. Um einer Revidierung des Erreichten vorzubeugen, beantragte die DWK am 31.3.1948, die SMAD möge die vollzogenen Beschlagnahmen anhand der von den Regierungen der Länder vorgelegten Listen bestätigen und einwilligen, daß die 'Sequestrierungskommissionen' ihre Tätigkeit einstellten. Daraufhin erging am 17.4.1948 der SMAD-Befehl Nr. 64, der die bislang vollzogene Enteignung von Betrieben und anderen Vermögenswerten bestätigte, die "Sequestrierung" für abgeschlossen erklärte und das durch sie in gesellschaftliches Eigentum überführte Vermögen als "Volkseigentum" definierte. Dazu erläuterte der Befehl: "Es wird festgelegt, daß Volkseigentum unantastbar ist. Dementsprechend wird der Verkauf oder die Übergabe von in das Eigentum des Volkes übergegangenen Industriebetrieben an Privatpersonen und Organisationen verboten."

Verstaatlicht wurden im selben Zeitraum auch alle Bodenschätze, die Mehrzahl der Bank- und Kreditinstitute, das gesamte Versicherungswesen sowie die wichtigsten Bereiche des Verkehrswesens.
Im Sommer 1948, ein Jahr vor Gründung der DDR, betrug der Anteil der V. an der Gesamtproduktion in der SBZ im Bergbau (ohne Uranbergbau) bereits 99, in der Metallurgie 54, in der Zellstoff- und Papierindustrie 44, im Maschinenbau und in der metallbearbeitenden Industrie 41, bei der Erzeugung von Elektroenergie und Gas 40, in der chemischen Industrie 35, in der elektrotechnischen Industrie 33, in der Textilindustrie 32, bei Baumaterialien 29, in der Leichtindustrie 18, bei Feinmechanik und Optik 16 und in der holzbearbeitenden Industrie 13 Prozent.

Funktionen und Wirkungen:

Im Zuge der "Sequestrierung" wurden 9281 gewerbliche Unternehmen, darunter 3843 Industriebetriebe, in "Volkseigentum" überführt, und damit fand - in der Formulierung der offiziellen DDR-Geschichtsschreibung - "der Prozeß der Konstituierung des volkseigenen Sektors der Industrie der sowjetischen Besatzungszone seinen Abschluß". Dieser Prozeß war jedoch kaum anderes als eine großangelegte Verstaatlichung, nicht nur weil auch das vormals "staatskapitalistische" Eigentum dem "volkseigenen Sektor" zugeschlagen wurde, vielmehr noch weil alles "Volkseigentum" sich nun in der Rechtsträgerschaft der DWK, der Landesregierungen, der Genossenschaften sowie der Parteien und Massenorganisationen befand. Für die Produktionsbetriebe war die erst im Februar 1948 mit Gesetzgebungsbefugnis ausgestattete DWK der wichtigste Rechtsträger; dort bestand neben den ressortmäßig gegliederten Hauptverwaltungen auch ein 'Ausschuß zum Schutze des Volkseigentums'.

Ende Oktober 1948 waren der DWK die 1631 wichtigsten V. mit 578707 Beschäftigten direkt zugeordnet: Entsprechend ihrem jeweiligen "Erzeugnisprofil" wurden sie in 75 'Vereinigungen Volkseigener Betriebe' (VVB) aufgegliedert und der Leitung der entsprechenden Hauptverwaltungen unterstellt. Weitere 3064 V. von regionaler Bedeutung mit 223362 Beschäftigten wurden in VVB zusammengefaßt, die den Landesregierungen unterstellt waren; schließlich unterstanden noch 2064 V. den Kommunalverwaltungen. Die Anzahl der überführten Industriebetriebe wuchs aufgrund nachträglicher Enteignungen bis 1951 von 3843 auf 4353. Als von 1952 bis Anfang 1954 in 3 Schüben die von der Besatzungsmacht bewirtschafteten SAG zurückgegeben wurden, nahm der Bestand an volkseigenen Industriebetrieben beträchtlich zu.

Endlich kam es zu dessen abschließender Erweiterung, als das Politbüro und der 'Ministerrat der DDR' im Februar 1972 "Maßnahmen zur Umwandlung von Betrieben mit staatlicher Beteiligung, privaten Industrie- und Baubetrieben in Volkseigentum" beschlossen. Die nun folgenden Umwandlungen, von denen auch etwa 1600 industriell produzierende 'Produktionsgenossenschaften des Handwerks' (PGH) betroffen waren, erbrachten insgesamt einen Zuwachs von 11330 V., in denen 585000 Arbeiter und Angestellte beschäftigt waren.

Die Veränderung der Eigentumsverhältnisse schuf eine wichtige Voraussetzung für die Einführung der "sozialistischen Planwirtschaft" oder die Möglichkeit, wie es im Sinne damaliger SED-Strategie ausgedrückt wurde, "ohne den Sozialismus zu deklarieren, die notwendigen Schritte zur Hinüberleitung in die sozialistische Etappe des revolutionären Prozesses zu tun". Dort, wo nun Anleitung und Kontrolle nach den Prinzipien des demokratischen Zentralismus erfolgen konnte, versprach man sich natürlich Planungsvorteile, Rationalisierungsgewinne und Produktivitätssteigerungen. 1949 entfielen vom Bruttosozialprodukt der SBZ auf die V. 46,6 Prozent, auf die SAG 21,9 Prozent und auf die Privatbetriebe 31,5 Prozent. Von dieser Basis ausgehend stieg der Anteil der V. an den Produktionsleistungen in den verschiedenen Sektoren der Volkswirtschaft kontinuierlich, am stärksten in der Grundstoff- und der metallverarbeitenden Industrie; an der industriellen Warenproduktion waren die V. 1971 mit 82 Prozent und nach der letzten Enteignungsphase 1972 mit 99 Prozent beteiligt. Im wirtschaftlichen Leistungsvergleich BRD: DDR ergab sich zu diesem Zeitpunkt allerdings schon ein Minus ca. 30 Prozent zum Nachteil der DDR.

Die V. wirtschafteten bis 1951 zunächst als unselbständige Filialbetriebe der ihnen jeweils übergeordneten VVB. Mit Beginn des Jahres 1952 wurden dann jedoch alle größeren Betriebe in selbständig wirtschaftende Einheiten umgewandelt, die mit eigenen Mitteln ausgestattet und abgabenpflichtig waren. Sie wurden nun Industrieministerien unterstellt ( 'Ministerrat der DDR'), während die kleineren Betriebe weiterhin in VVB vereinigt blieben, die allerdings erheblich an Bedeutung verloren, da sie bis 1957 nur noch als 'Verwaltungen Volkseigener Betriebe' fungierten. Die Unterstellungen wechselten auch weiterhin: Viele V. wurden in zentral- oder bezirksgeleitete 'Kombinate' eingegliedert, andere bestanden bis 1989/90 als Einzelbetriebe. Wie immer ihre jeweilige Abhängigkeit von übergeordneten Planungs- und Kontrollinstanzen war, sie bestanden als Wirtschaftsbetriebe, die nach den Grundsätzen der wirtschaftlichen Rechnungsführung arbeiteten und die als rechtsfähige Organisationen in ihren Namen die Bezeichnung "VEB" zu führen hatten.

Auflösung/Ende:

Am 1.3.1990, als das Angebot der Bundesregierung, demnächst "in Verhandlungen über eine Währungsunion mit Wirtschaftsreform einzutreten", schon bekannt war, beschloß die Regierung der DDR eine Verordnung, die eine Umwandlung 'Volkseigener Betriebe' und 'Kombinate' in Kapitalgesellschaften ermöglichte. Gleichzeitig beschloß sie aber auch: "Zur Wahrung des Volkseigentums wird mit Wirkung vom 1. März 1990 die Anstalt zur treuhänderischen Verwaltung des Volkseigentums gegründet. Bis zur Annahme einer neuen Verfassung wird die Treuhandanstalt der Regierung unterstellt. Sie ist Anstalt öffentlichen Rechts und territorial gegliedert." Laut Statut vom 15. d. M. sollte diese Anstalt das Vermögen aller "volkseigenen" Betriebe und Einrichtungen "im Interesse der Allgemeinheit" verwalten, d. h., man wollte die in marktwirtschaftlicher Zukunft zu erwartenden Vermögensbewegungen unter Kontrolle behalten ( 'Treuhandanstalt'). Noch hegte man die Hoffnung, das "Volkseigentum" dem Staatsvolk der DDR erhalten zu können.

Als am 17.6.1990 in der Volkskammer ein von der Regierung de Maizière vorgelegtes neues Treuhandgesetz beraten wurde, erwogen einige Abgeordnete noch, wie sich "verbriefte Anteilsrechte am volkseigenen Vermögen" sichern ließen, doch in der Debatte wurde auch schon die Befürchtung laut, daß für eine Entschädigung des Volkes am Ende gar keine Vermögenswerte mehr verfügbar sein könnten.
Der Staatsvertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion, der am 21. Juni von beiden deutschen Parlamenten verabschiedet wurde, schrieb nämlich vor:

"Es wird eine Bestandsaufnahme des volkseigenen Vermögens vorgenommen. Das volkseigene Vermögen ist vorrangig für die Strukturanpassung der Wirtschaft und für die Sanierung des Staatshaushalts in der Deutschen Demokratischen Republik zu nutzen" (Art. 26, 4).

Seit Vollzug der Währungsunion wurde dann von Tag zu Tag deutlicher, daß nach Abschluß der von der 'Treuhandanstalt' betriebenen Privatisierung, Sanierung oder Abwicklung der V. nur noch immense Schulden zu verteilen sein würden.

Quelle:

[Lexikon der Organisationen und Institutionen: Volkseigener Betrieb (VEB), S. 1 ff.Digitale Bibliothek Band 32: Enzyklopädie der DDR, S. 10161 (vgl. DDR-Org. u. Inst., S. 1138 ff.) (c) 1994 by Rowohlt Taschenbuch Verlag]



Definition der VEB in der DDR 1962:
(die in der DDR gebräuchliche Definition)


volkseigener Betrieb, Abk. VEB:

staatlich-sozialistischer Betrieb, der im Gebiet der DDR im Zuge der demokratischen Umgestaltung der Wirtschaft nach 1945 aus den Händen der Monopolisten und Kriegsverbrecher in die Hände des Volkes übergegangen oder von den Werktätigen auf der Grundlage des Volkseigentums neu errichtet worden ist. In den VEB ist die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen beseitigt. Die Arbeit dient dem Wohlstand der Werktätigen und dem Wohl der gesamten sozialistischen Gesellschaft: die kulturellen und sozialen Einrichtungen sind vorbildlich für ganz Deutschland.

In den VEBs verwirklicht die überwiegende Mehrzahl der Werktätigen das sozialistische Recht auf Arbeit. In den VEB entwickeln sich die sozialistische Gemeinschaftsarbeit und andere Formen des sozialistischen Wettbewerbs. Die VEB bilden den Hauptteil des sozialistischen Eigentums. Sie werden nach den Grundsätzen des demokratischen Zentralismus und dem Prinzip der Einzelleitung geleitet, wobei die Werktätigen durch Gewerkschaften, ständige Produktionsberatungen und viele andere Formen einbezogen sind.

Die VEB arbeiten im Rahmen des neuen ökonomischen Systems der Planung und Leitung der Volkswirtschaft nach den Grundsätzen der wirtschaftlichen Rechnungsführung, sind juristische Person und im Register der volkseigenen Wirtschaft eingetragen : ihnen sind bestimmte Teile des Volkseigentums im Rahmen ihrer Aufgaben zur operativen Verwaltung (Rechtsträgerschaft! übertragen: der Umfang ihrer Befugnisse hinsichtlich des übertragenen Vermögens ergibt sich aus gesetzlichen Bestimmungen, insbes. ihren Statuten und aus ihren Planaufgaben.

In jedem Betrieb wird ein Betriebsprämienfonds gebildet, die Summe der jährlichen Zuführung ist von der Planerfüllung abhängig. Die VEBs unterstehen den VVB, Fachministerien, Bezirkswirtschaftsräten oder örtlichen Staatsorganen.



Quelle:

"Meyers neues Lexikon in acht Bänden"

Unter Mitarbeit von über sechshundert Fachwissenschaftlern
herausgegeben von der Lexikonredaktion des
VEB Bibliographisches Institut Leipzig
Leitung: A. M. Uhlmann
Redaktionsschluss: Oktober 1961/Februar 1962 o Alle Rechte vorbehalten
Eingetragene Warenzeichen sind als solche nicht gekennzeichnet
Einbandgestaltung: Rudolf Uhlisch, Leipzig
Verlagslizenz 433 130/2/62 o K 2/57 Mdl der DDR Nr. 5702 o ES l B
Satz, Druck (Text und Kunstdrucktafeln) und Einband: VEB Leipziger Druckhaus, Leipzig III/18/203
Druck der Offsettafeln und Karten: Druckhaus Einheit, Leipzig III/18/211 o Kartenherstellung:
VEB Hermann Haack, Geographisch-Kartographische Anstalt, Gotha, Werk Leipzig, K 3/57 o Klischeeherstellung: VEB Reprocolor, Leipzig, und Mitteldeutsche Druckerei Freiheit, Halle (Saale) o Reproduktion der Offsettafeln: VEB Reprocolor, Leipzig o Papierherstellung: VEB Papierfabrik Golzern
(Illustrationsdruckpapier), VEB Papierfabrik Dreiwerden (Kunstdruckpapier),
VEB Freiberger Zellstoff- und Papierfabrik zu Weißenborn (Offset- und Landkartenoffsetpapier)