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Gustav Albert Hans Graumann an seinem 91. Geburtstag am 2. August 1988

Quelle: Lothar Graumann


Hans Graumann





- geboren: 02.08.1897 in Großenhain
als Gustav Albert Hans Graumann.

- gestorben: August 1989 in Dresden








„Wer sich nicht rührt — friert" war ein Spruch, den Vater mir oft sagte. Also hat er schon am 06.05.1919 am Staatlichen Botanischen Garten Dresden eine Arbeit als Gärtnergehilfe begonnen. Während dieser Zeit zeichnete er sich durch fachlichen Eifer und Zuverlässigkeit aus. Nebenbei bereitete er sich auf die Gartenmeister — Prüfung vor, die er mit dem Gesamtzeugnis „Sehr gut" bestand. Dies geschah am 12.01.1928. Mit dem 01.08.1929 wurde er städtischer Beamter und als Obergartenmeister angestellt.

Zitat aus der Biographie Hans Graumanns die sein Sohn Lothar Graumann geschrieben, im Eigenverlag drucken ließ und uns zur Verfügung stellte.


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Kindheit und Jugendjahre


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Am 2. August 1897 erblickte mein lieber Vater Hans Graumann das Licht der Welt. Einer Welt einfacher Bürgersleute: Sein Vater war der „Fockenkarl" — der Arrestwachtmeister — der Großenhainer Husaren und die Mutter Schneidermeisterin. Schon 1905 starb der Vater und die Witwe hatte vier kleine Söhne.
Sie war eine fleißige, resolute aber auch humorvolle Frau, die alle Söhne ein Handwerk lernen ließ und trotzdem noch ihrer unbeschreiblichen Reiselust frönte.
Die Schuljahre verbrachte mein Vater in Zwickau und danach ging es nach Eibenstock zur Gärtnerlehre in die Vereinsgärtnerei. Mit welchem Eifer er lernte, soll uns sein Lehrzeugnis vom 15. März 1916 sagen.


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Der Soldat

Gerade einmal 14 Tage durfte sich mein Vater des durch den Lehrabschluss erzielten Berufes „Gärtnergehilfe" erfreuen! Am 1. April 1916 musste er zu den Soldaten. Nach vier Monaten der Grundausbildung ging es am 24.08.1916 „ins Feld". Hier musst er das Grauen der Sommeschlacht und des Stellungskrieges in Belgisch—Flandern erleben. Er war sicher sich selbst treu geblieben, das belegen seine zahlreichen Auszeichnungen: König-Friedrich-August-Medaille in Bronze und in Silber und am 12. Oktober 1917 das Eiserne Kreuz. Neun Tage später ereilte ihn das Schicksal des Frontsoldaten: „Verwundung durch Infanterie — Geschoss im Hals- und Schulterbereich" am 21.10.1917 in den Stellungskämpfen nach der Schlacht bei La Bassee (auf deutscher Seite als „Frühjahrsschlacht bei Arras“ bezeichnet). Dieser Schuss eines Scharfschützen traf den Meldegänger Graumann 2 cm neben der Herzschlagader und verließ seinen Körper 3 cm neben der Wirbelsäule. Das wäre zweimal der sichere Tod gewesen und doch war er für das weitere Leben ein mehrfacher Glücksfall: Die Verwundung bewahrte den lieben Vater vor dem zweiten Weltkrieg und ich verdanke ihr meine Existenz: Nach dem Feldlazarett kam er nach Elsterberg ins Reservelazarett und lernte dort meine Mutter kennen. Sie trug täglich die frischen Brötchen aus der Bäckerei ihres Vaters, in das Lazarett. Am 13.05. 1923 heirateten beide in Dresden.

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Helene Graumann, geborene Schulthes kam am 7. Februar 1902 in Elsterberg im Vogtland zur Welt und verstarb 72 jährig in Dresden. Nach ihrer Kriegsverpflichtung in die Goehle- Werke, wurde Helene Graumann aufgrund gesundheitlicher Probleme wieder Hausfrau. (Ergänzung J. Zappe)

Im August 1942 verlebten wir den Urlaub im lieben Schellerhau, wie immer in glücklicher Zufriedenheit, obwohl der 2. Weltkrieg schon kein Sieg—Krieg mehr war. Da kam ein großer Schreck über uns: Vater hatte sich am vierten September zur Musterung beim Wehrbezirkskommando zu melden.
Sofort ließ Vater den von der Verwundung schlecht durchbluteten Arm völlig ruhig hängen und konnte den „Heldenfängern" einen rot-blau geschwollenen Arm vorweisen. Resultat: „...ist völlig untauglich zum Dienst in der Wehrmacht." So sieht man, wie aus einem großen Unglück mehrfaches Glück erwachsen kann!


Das Leben geht weiter

Am 30.04.1919 wurde Vater vom Militär entlassen: Monatsrente einschließlich Verstümmelungszulage: 96,- Mark.
Der Dank des Vaterlandes ist dir gewiss!
Mit einer solch „fürstlichen" Rente musste man sich rühren! „Wer sich nicht rührt — friert" war ein Spruch, den Vater mir oft sagte. Also hat er schon am 06.05.1919 am Staatlichen Botanischen Garten Dresden eine Arbeit als Gärtnergehilfe begonnen. Während dieser Zeit zeichnete er sich durch fachlichen Eifer und Zuverlässigkeit aus. Nebenbei bereitete er sich auf die Gartenmeister — Prüfung vor, die er mit dem Gesamtzeugnis „Sehr gut" bestand. Dies geschah am 12.01.1928. Mit dem 01.08.1929 wurde er städtischer Beamter und als Obergartenmeister angestellt.


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1933 kam Hitler an die Macht und ich „auf die Welt". Im Stadtgartenamt änderte sich zunächst nicht viel: einige aktive Kommunisten wurden entlassen und somit arbeitlos. Vater war von jeher SPD — Wähler und hatte auch unter seinen Gärtnern einige „Linke". Mir sind noch heute einige Namen bekannt: Bemmann, Otto Küchler (aus Eschdorf) und Adamschewsky. Die zuverlässigsten beauftragte Vater den starken Baumschnitt zu entlassenen „Linken" zu bringen, wie z.B. Herrn Brendel, Herrn Hannß u.a., damit sie eine Unterstützung in Sachen Heizung hatten.

Aber es wurde politisch brutaler: Mit jeder Gehaltszahlung legte man Vater einen Aufnahmeantrag für die Nazipartei vor. Lange Zeit ignorierte er dies, doch dann hieß es: „Volksgenosse Graumann, wir haben viele Parteigenossen Gartenmeister, die arbeitslos sind. Wir könnten die gern auf Ihren Arbeitsplatz setzen." Wenn die Existenz auf dem Spiel steht, ist man im Zugzwang und so wurde er im Herbst 37 „PG". Einen Vorteil von diesem Schritt hatte er nie. 1940 doch: Man trug ihm an, als Stadtgartendirektor nach dem damaligen „Litzmannstadt" (Lodz in Polen) zu gehen. Er sagte Nein und so war es richtig und gut. Was wäre aus uns geworden? Eingewiesen in eine ehemalig jüdische Villa im „Generalgouvernement" wären wir 1945 sicher der Lynchjustiz zum Opfer gefallen.

Vaters Gärtner wurden nach und nach zu Soldaten gemacht. Neue Arbeitskräfte kamen: Russische Kriegsgefangene! Diese wurden von den Nazis wie Menschen nicht zweiter sondern dritter Klasse behandelt. Es gab vor allem sehr wenig zu essen und oft schlechte Behandlung. Unter Vaters Regie konnten sich „seine" Russen wohlfühlen. Selbst Soldat gewesen, wusste er wie weh der Hunger tat. Da die Russen in den meisten Fällen aus der Landwirtschaft kamen, war ihnen Gartenarbeit vertraut. Die Unterbringung war für russische Verhältnisse fast luxuriös. Sie wohnten im von einer Pergola umsäumten Gärtnerhäusschen am Diakonissenweg, das heute noch existiert, bewacht wurden sie von zwei Veteranen aus dem ersten Weltkrieg.


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Die Elbwiesen hatte die Stadt verpachtet an den Zirkus Sarrasani unterhalb und den Bauern Max Behrisch aus Rähnitz oberhalb der Albertbrücke. Behrisch war ein Duzfreund meines Vater und so konnte er diesem sagen: „Meine Russen haben Hunger und arbeiten trotzdem fleißig, bitte bringe Essbares mit, wenn du Heu holst." Die Russen wendeten im Gegenzug Max's Heu und fanden immer Kartoffeln aber auch mal Butter, Brot, Quark oder Wurst in einem Busch versteckt. Hatten diese „Gärtner" am Albert — Theater zu tun, so fuhren sie mit ihrem Wagen voller Gehölz —Schnitt erst mal zu „Gurken — Lommatzsch" in die Bautzener Straße. Dort wurde ein Fässchen Sauerkraut unterm Reisig versteckt. Die Nazis durften davon nichts erfahren!

Im Herbst musste die Stadt Arbeitskräfte für die Kartoffel-Kampagne in die Magdeburger Börde abstellen. Immer war es mein Vater mit seinen Russen. Er kümmerte sich darum, dass es gut und reichlich zu essen gab. Trotzdem kochten die Gefangenen jede Nacht Kartoffeln und aßen sich so den „Winterspeck" an. Das alles ging, obwohl für Vater gefährlich, gut bis zum 13.02.1945, dem Schicksalstag Dresdens. Das Russenquartier und die Russen blieben unversehrt aber alle in Dresden beschäftigten Gefangen mussten zurück nach Königsbrück ins Stammlager. Vater indes wurde zur Bestattung der Bombenopfer auf den Heidefriedhof verpflichtet.

Er hatte als Beamter der Stadt Dresden die Sicherstellung von Personalien und Wertsachen der „Gefallenen" — wie sie damals bezeichnet wurden —zu veranlassen. Es muss eine grauenvolle Arbeit gewesen sein. Erzählt hat Vater darüber nur sehr wenig. Gegessen hat er, obwohl alle auf dem Friedhof Tätigen allerbestes Essen bekamen, fast nichts. Er lebte in diesen schrecklichen Wochen von trocken Brot und Schnaps. Nach seinen eigenen Äußerungen liegen im Ehrenhain links vom Denkmal (Ri. Boxdorf gesehen) 12 000 Identifizierte und rechts vom Denkmal nochmal 12 000 Nicht—Identifizierbare (Leichenteile, Brandmumien, Tote ohne Papiere) und am Kreuz die Asche der auf dem Altmarkt Verbrannten in Benzinfässern. Von jedem Toten gab es einen Wertsachenbeutel. Als die Russen kamen freuten sie sich über so viele Ringe, Uhren usw.

Am dritten März traf der Bombenkrieg auch unsere Siedlung, die bisher verschont geblieben war. Unser Gegenüber (Bärwalder Str. 5 und 7) wurde von einer Sprengbombe völlig zerstört. Sie explodierte über dem „Luftschutzkeller" der 7 — alle waren sofort tot bis auf Herrn Naumann, der an der Hoftür nach der Lage schaute, die Bombe fallen sah und zum Sterben „zu spät" gekommen war.


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Unser Haus war fast unbewohnbar: Die Stuben voller Schutt, die Fenster samt Rahmen zerstört, das Dach halb abgedeckt. Vater holte von Berufskollegen von der Marienhofstraße (Maxim-Gorki — Str.) Frühbeetfenster und nagelte damit die Fenster zu. Dann ging es bei Schneetreiben nach Rähnitz zum Behrisch — Max. In Dresden gab es weder Strom noch Wasser noch Müllabfuhr. Wasser holten wir im Hof Hecht / Ottendorfer Straße an einer Gartenpumpe. Am 16. April gab es nochmals einen Angriff auf unser Viertel und danach begann man aus einem Bombentrichter im Park einen Luftschutzstollen zu bauen. Ein 1m „langes" Gewölbe aus Klinkern war fertig - dann kam der Russe.

Es war Sonntag, der 06.05.1945. Nachrichten gab es keine, keine Zeitung, ohne Strom kein Radio nur Flüchtlinge, die vereinzelt in das zerstörte Dresden wollten. In der Ferne hörten wir das Grummeln der Front. Am Montag, 07.05. waren deutlich die Abschüsse der „Stalinorgeln" nördlich der Stadt zu hören. Vater sagte: Bei Beschuss stürzt unser beschädigtes Haus ein, wir gehen in den Lingner — Park und lassen dort die Front über uns weggehen. Schnell war das Nötigste auf unserem Leiterwagen verstaut. Mein Jungvolk—Tornister wurde mit unserem Tafelsilber bepackt und los ging es am späten Nachmittag. Wie wohlig war es im Park! Die Vögel musizierten und statt Brandgeruch gab es Waldesluft. Unser Quartier hatten wir im Gärtnerhaus, links vom Eingang des Parkes. Schlafen konnten wir auf neuen Matratzen, die Dresdens Krankenhäuser als Notreserve eingelagert hatten. Die Krankenhäuser waren alle zerstört — keiner brauchte die Matratzen — oder wusste von ihnen. Wir vergruben den Tornister im Kompost (um ihn nie wieder zu sehen) und dann schliefen wir voller Unruhe aber auch Erschöpfung lange in den neuen Tag, den 08.05.1945, hinein.

Ein Rattern und Brummen weckte uns: Die Russen waren da! Die Bautzner Straße entlang zog der Heerwurm über die Schillerstraße zum Blauen Wunder, der einzigen unbeschädigten Elbbrücke in Dresden. Wir machten uns auf den Heimweg. Zunächst im Schutze der langen Parkmauer durch Lingner- und Albrechtspark bis zur Blockhausstraße. Nun mussten wir es wagen, die „Bautzner" und damit den Heerwurm zu kreuzen. Vater hatte zu tun die Wagenräder durch die ausgefahrenen Schienen der Straßenbahn zu bugsieren als das Unwahrscheinlichste, was ich in meinem Leben je erlebte, geschah:
Ein berittener Russe kam angaloppiert und rief:

„Hallo Chef! Hallo Chef!"
Meine Mutter:
„Hans, meint er dich?"
Vater schaut auf und ruft:
„Sascha, wie geht es?"
„Jetzt geht's heim, Krieg kaputt."

Es war einer „seiner" Russen der tags zuvor in Königsbrück befreit worden war. Große Freude beiderseits: „Chef, wie geht es dir?" „Bisher gut, wie es weiter geht, weiß ich nicht." „DIR muss IMMER gut gehen!!" Dann trennten sich ein alter und ein junger Soldat auf Nimmer wiedersehen. (Nebenbemerkung: Viele solcher Begegnungen endeten für den entsprechenden Deutschen tödlich, da sich viele, z.B. in den Goehle — Werken, zu „ihren Russen" dem Naziterror gemäß unmenschlich verhalten hatten!).

Am 09.05. in aller Herrgottsfrühe ging mein Vater wieder an seine Arbeit. Standort waren Waisenhaus Radeberger Straße und Lingner Park. Alle anderen Depots des Stadtgartenamtes, darunter der schöne und große „Turnerweg" waren total zerstört. Das tat er in bewährter Treue und Pflichtbewusstsein bis zum 15.09.1945. Danach wurde er als „Nazi" entlassen und die, die sich damals „die Aktivisten der ersten Stunde (!)" nannten, begannen ihr Tun. Gesuche um Wiedereinstellung und auch Leumundszeugnisse alter Kommunisten nützen nichts. Und eben diese Kommunisten halfen ihm über die ersten Monate hinweg.

Der Verwalter des St.— Pauli - Friedhofs war geflohen, der Friedhof herrenlos und die Hallen voller Leichen. Vater wurde kommissarischer Leiter. Seine Grabmacher: Die Parteigenossen aus der Siedlung. Ihre Aufforderung zur Arbeit sah pikanter weise etwa so aus. Den Abend zuvor hörte es nicht auf, bei uns zu klopfen (ohne Strom keine Klingel) „Wir müssen uns wohl unser eigenes Grab schaufeln?" Mein Vater konnte ihnen die Angst nehmen.


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Im Winter 1945/46 herrschte tagelang strenger Frost, die Beheizung der Friedhofsverwaltung und Halle drohten zu erfrieren und es gab nur Feuerholz - keine Kohlen. So musste Vater — trotz der Ausgangssperre von 21.00Uhr an jede Nacht den Kessel nachlegen. Dazu nahm er als Alibi mich mit: Im großen Siedlungshof zwischen Niederauer und Hechtstraße ging es bis zur Oberauer und dort husch hinüber zum unteren Friedhofseingang. Türe auf- und wieder zugeschlossen und dann zwischen den nächtlichen Gräbern zur Heizhalle. Ich als 12-Jähriger fürchtete mich auf dem mitternächtlichen Friedhof: „Vati, können wir nicht lieber draußen gehen?" „Die hier liegen, tun dir nichts, aber draußen patrouillierten die Russen."

Auch in diesen schweren Notzeiten gab es heitere und hilfreiche Situationen. Eines Tages kamen die Grabmacher zu Vater: „Im oberen Teil des Friedhofes spaziert ein großes Schwein zwischen den Gräbern!" Es wurde auf Vaters Geheiß in eine Leichenhalle gesperrt, dann holte er den Fleischermeister Oskar Prötzsch (ein Verwandter von Erich Kästner!) von der Windmühlenstraße. Dieser stach das sicher aus der Russenkaserne ausgebüxte Tier ab, lud es in seinen Lieferwagen und verarbeitete es im Schlachthaus. Nach einigen Tagen konnte jeder der unfreiwilligen Friedhofsarbeiter ein schönes Fleisch- und Wurstpaket nach Hause tragen.

Irgendwann ging der Friedhof wieder in alte Hände und Vater begann als geschätzter Fachmann zunächst bei einem „Krauter" Heinrich Landwehr, Feldweg am Pestalozziplatz. Er stellte ihn als Obergärtner für einen Hungerlohn ein. So ging er bald zu Alexander Schmidt auf die Weinböhlaer Str. Dort verlebte er vom 02.07.1946 an einige — wie mir schien — glückliche Gartenmeisterjahre in einem kameradschaftlichen Kreis mit Herrmann Mathe, Lehrlingen und das bei 1,22 Mark pro Stunde! Da geschah im Herbst 1953 wiederum ein Wunder: „DIR muss IMMER gut gehen" verwirklichte sich. Die damalige Technische Hochschule Dresden fragte bei ihm an, ob er als Obergartenmeister die Gartenanlagen der TH (später TU) übernehmen wolle. Mein Vater: Ja, aber nur unter der Bedingung, dass dies nicht mit Parteimitgliedschaft verbunden werde. Dies wurde ihm zugesichert und Vater blühte auf. Er war wieder der anerkannte Fachmann. Er hatte viele verantwortungsvolle Aufgaben zu bewältigen.



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Zum Beispiel das Pflanzen von voll ausgewachsenen Laubbäumen vor den Studentenwohnheimen Leningrader Straße, Rollrasen im Rabenauer Grund anlässlich der Weltmeisterschaft im Wildwasserkanu. Und sein Organisationstalent war wieder gefordert: Für den Mitschuringarten der ABF holte er das ehemalige Wein-Glashaus vom Lingnerschloss, das inzwischen zur TH gehörte. Und dann kam „DIR muss IMMER gutgehen Nr. 2": Vater erhielt — obwohl er zu den Handwerkern und nicht zum Lehrkörper der TU zählte - die Intelligenz-Rente. Fürsprecher war sein Chef, der wunderbare Prof. Bauch. Dank seines langen Lebens konnte er so von den Leuten, die ihn 1945 auf die Straße setzten, viele Jahre lang eine ansehnlich hohe Rente beziehen, der gerechte Ausgleich für erlittenes Unrecht! Er arbeitete an der TU bis zu seinem 70. Lebensjahr und war danach noch lange Jahre aktiv.

So sind nun die markantesten Stationen seines langen Lebens aufgeführt und doch umreißt dies nur einen Teil seiner Persönlichkeit. Es wären noch viele andere „Beete", auf denen er wirkte, zu nennen:

- Von jungen Jahren an hielt er für seine Fachkollegen und die Dresdner Friedhofsmeister Lichtbildervorträge.
- Der Aufbau des Rosengartens am Königsufer nach Plänen seines Chefs des Stadtgartendirektors Architekt Balke.
- Die aktive Hilfe im Obstbau bei seinem Freund Max Behrisch und dessen 4 Kindern Arthur, Oswald, Oswin und Erna Johne.
- Die kunstvolle Gestaltung und Pflege von Grabstätten guter Freunde und Bekannter.
- Der Aufbau und die Pflege des Alpinums im Grundstück „Schellerhäusel" von Dr. Eckelmann.
- Die Hilfe für seine Mutter.
- Die liebevolle Hinwendung zu mir, seinem einzigen Kind.
- Er wurde „Herr Schaffrat" genannt, weil er auch in schwierigen Situationen sich und uns zu helfen wusste.
- So zum Beispiel als nach Kriegsende eine Kolonne polnischer Zwangsarbeiter auf der Flügelwegbrücke sein Fahrrad raubte — an der Waltherstraße holte er es sich nach einer Prügelei mit dem vorausfahrenden Polen wieder und fuhr damit gleich ins Friedrichstädter Krankenhaus um seine Platzwunde an der Schläfe nähen zu lassen. Die weiße Sommerjacke sah danach wie vom Fleischer aus!
- Holzaktion im Park an der Hechtstraße mit Hermann Mathe — bis die Russen die Män¬ner hochnehmen wollten. Sie entkamen im Schutz der Finsternis.
- Holzaktion, d.h. Kiefernstöcke roden am Garnisonsfriedhof, diesmal legal. Eine schwere Schufterei, sein „Heldenarm" leistete Enormes und ich mit meinen Kinderkräften half ein bisschen. Der Zöphel,Ewald, unser Kohlenhändler, holte uns und unser Holz abends mit seinem Elektrokarren ab. Wie der Vater die Kiefernstöcke mit Handsäge und Axt zerkleinerte war sehenswert. Trotz seiner Verwundung konnte er kräftig zupacken!

Von so einem Vater kann man als Sohn nur lernen! Lernen wie man die Schwierigkeiten des Lebens meistert, lernen wie man als MITMENSCH dem Anderen hilft aber auch lernen, dem Leben seine schönen Seiten abzugewinnen.


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So will ich schließen in liebevoller Erinnerung und in Dankbarkeit für meinen tüchtigen Vater.

Lothar Graumann