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Arbeiterfestspiele 1959-1988
regelmäßig in einem anderen Bezirk der DDR stattfindende Kulturfestspiele
Geschichte und Organisation:
Am 24.7.1958 beschloß der Bundesvorstand des FDGB die regelmäßige Durchführung von A., um "die Beziehungen der Arbeiterklasse zur Kunst zu festigen". Darüber hinaus begründete H. Warnke den Beschluß auch mit der Absicht, den 'Ruhrfestspielen', die die westdeutsche Arbeiterklasse mit "dekadenter bürgerlicher Kunst" infiltrierten, etwas entgegenzusetzen. Nachdem kurz zuvor der V. Parteitag der SED beschlossen hatte, daß die "Arbeiterklasse die Höhen der Kultur erstürmen und von ihnen Besitz ergreifen" sollte (W. Ulbricht), wurde den geplanten A. die Aufgabe zugedacht, im Bereich der Kultur den "bürgerlichen Einfluß" zurückzudrängen.
Die organisatorische Vorbereitung der A. lag in den Händen des Bundesvorstandes des FDGB. Dieser ließ 1958/59 in Betrieben des Bezirkes Halle 1,2 Mio. Traktate verteilen, um die Werktätigen propagandistisch auf das Vorhaben einzustimmen. Die ersten A. fanden dann vom 13. bis 21.6.1959 in diesem Bezirk statt. Seitdem wurden sie offiziell als "Höhepunkt des sozialistischen Kulturlebens" gefeiert. Träger und Organisator der A. war weiterhin der FDGB gemeinsam mit den örtlichen Staatsorganen, den Leitungen der FDJ, den Künstlerverbänden, dem DTSB und der 'Nationalen Front'. Von 1959 bis 1972 wurden die A. jährlich, dann nur noch alle zwei Jahre in wechselnden Bezirken veranstaltet. Die letzten fanden 1988 im Bezirk Frankfurt (Oder) statt.
Funktionen und Wirkungen:
Bis Ende der 60er Jahre bestanden die kulturpolitischen Intentionen vor allem darin, mit den A. ein gegenseitiges Durchdringen von Berufs- und Laienkunst zu fördern und die besten Laienkünstler an das Niveau der Berufskunst heranzuführen. In den 70er Jahren wurde dieser Kurs korrigiert. Die Festspiele wurden nun zu "Leistungsschauen der kulturschöpferischen Kräfte der Arbeiterklasse" und nahmen zunehmend Volksfestcharakter an. Bei den A. gab es jedoch immer wieder auch künstlerische Ereignisse von hohem Rang, und zahlreiche in der DDR populär gewordene Veranstaltungs- und Ausstellungsreihen fanden erstmals während der A. statt. Die seit 1970 alljährlich stattfindenden 'Betriebsfestspiele' bzw. 'Dorffestspiele' erweiterten die Grundlage der A. beträchtlich und übertrugen deren Funktion auf die betriebliche Ebene.
Zahlenangaben des FDGB zufolge beteiligten sich an diesen Festspielen in den 80er Jahren regelmäßig mehr als 8000 Betriebe; bereits 1977 wurde eine (wohl übertriebene) Teilnehmerzahl von 8,9 Mio. Besuchern angegeben. 'Betriebsfestspiele' fanden in 'Kombinaten' und Großbetrieben statt; im jeweiligen Einzugsbereich liegende Mittel- und Kleinbetriebe sowie kulturelle Einrichtungen wurden einbezogen. Auf dem Lande veranstalteten landwirtschaftliche Einrichtungen entsprechende 'Dorffestspiele'. Für beider Organisation war die jeweilige BGL verantwortlich, die auf diese Weise dazu beitragen sollte, daß in den Betrieben und Territorien die vermeintliche ideologische Qualität und Stabilität des kulturellen Geschehens gefördert sowie der Entfaltung volkskünstlerischer Talente Raum verschafft würden.
SED- und FDGB-Leitungen achteten besonders auf den "ideologischen Gehalt" der Veranstaltungen, der sich z. B. in regelmäßig stattfindenden Ausstellungen 'Freizeit, Kunst und Lebensfreude', in Treffen mit "hervorragenden Persönlichkeiten" des gesellschaftlichen Lebens oder in Wettbewerben um das beste Brigadetagebuch oder um die beste Wandzeitung manifestierte. Die große Mehrheit der Festspielteilnehmer vergnügte sich hingegen an Hobbyausstellungen, Disco-Veranstaltungen, Betriebs-, Sport- und Kinderfesten.
Alle Arbeiterfestspiele nach Durchführungsjahr
- 1. Arbeiterfestspiele vom 12.-21.6.1959 im Bezirk Halle:
6400 Laien- und 4900 Berufskünstler nahmen teil, darunter Künstler aus der UdSSR, Rumänien, Ungarn und Italien. Es fand neben den Musik- und Theaterveranstaltungen ein gemeinsames Forum von Schriftstellern und Brigadetagebuchführern statt.
- 2. Arbeiterfestspiele vom 4.-12.6.1960 im Bezirk Karl-Marx-Stadt:
1200 Veranstaltungen mit 25000 Laien- und 5000 Berufskünstlern; es fand die erste 'Konferenz schreibender Arbeiter' mit 300 Teilnehmern statt.
- 3. Arbeiterfestspiele vom 10.-18.6.1961 im Bezirk Magdeburg:
20000 Laien- und 5000 Berufskünstler nahmen teil, darunter das Gewandhausorchester Leipzig und die Staatsoper Dresden. Neben dem '1. Festival des Amateurfilms' fand auch ein Erfahrungsaustausch von Arbeitertheatern statt.
- 4. Arbeiterfestspiele 1962 im Bezirk Erfurt
- 5. Arbeiterfestspiele Cottbus 1963
- 6. Arbeiterfestspiele Gera 1964
- 7. Arbeiterfestspiele vom 18.-20.6.1965 im Bezirk Frankfurt (Oder):
5100 Laien- und 900 Berufskünstler nahmen teil. Neben der Leipziger 'Pfeffermühle' traten - zum Teil in Bezirksprogrammen - 16 Amateurkabaretts auf. An einem Leistungsvergleich der Blasorchester nahmen zehn Orchester teil.
- 8. Arbeiterfestspiele vom 17.-19.6.1966 im Bezirk Potsdam:
4900 Laien- und 1100 Berufskünstler wirkten mit; der propagandistische Mittelpunkt dieser A. war die Ausstellung: 'Aufbruch und Sieg. Die deutsche Arbeiterklasse in der Darstellung der bildenden Kunst 1890-1965.
- 9. Arbeiterfestspiele vom 16.-18.6.1967 im Bezirk Dresden:
An diesen A. beteiligte sich die NVA zum ersten Mal mit der 'Parade des Soldatenliedes' und den 'Musikparaden' der NVA-Blasorchester.
Mit den Arbeiterfestspielen 1967 wurde der Studentenclub Bärenzwinger quasi eröffnet
- 10. Arbeiterfestspiele, im Juni 1968 in Halle
- 11. Arbeiterfestspiele der DDR 1969 Karl-Marx-Stadt
- 12. Arbeiterfestspiele vom 12.-14.6.1970 im Bezirk Rostock:
Im Rahmen dieser A. wurden erstmals 'Kulturfestivals der sozialistischen Landwirtschaft' sowie Erfahrungsaustausche zum geistig-kulturellen Leben in den VEG, LPG und Gemeinden durchgeführt.
- 13. Arbeiterfestspiele 1971 , Bezirk Frankfurt/Oder
- 14. Arbeiterfestspiele in Schwerin vom 16.-19.07. 1972
- 15. Arbeiterfestspiele 1974 im Bezirk Erfurt (Konzert in Nordhausen)
- Seit diesen A. wurden regelmäßig 'Solidaritätszentren' sowie 'Konsultationszentren' zu Erfahrungen der gewerkschaftlichen Kulturarbeit in der UdSSR und den anderen sozialistischen Ländern eingerichtet.
- 16. Arbeiterfestspiele der DDR, Juni 1976 in Dresden und Görlitz
- 17. Arbeiterfestspiele der DDR 1978 im Bezirk Suhl.
Sonneberg - ein Festspielort der 17. Arbeiterfestspiele der DDR 1978 im Bezirk Suhl. (Sonneberg, FDGB 1978)
- 18. Arbeiterfestspiele der DDR in Rostock 1980,
- 19. Arbeiterfestspiele, Beginn am 25. Juni 1982 im Bezirk Neubrandenburg
- 20. Arbeiterfestspiele der DDR finden 1984 im Bezirk Gera statt.
Jena Festspielort im Rahmen der XX. Arbeiterfestspiele der DDR.
- 21. Arbeiterfestspiele der DDR im Bezirk Magdeburg
Grafik in den Kämpfen unserer Tage. - Ausstellung anlässlich der 21. Arbeiterfestspiele der DDR im Bezirk Magdeburg, Kloster Unser Lieben Frauen vom 3. Juni bis 6. Juli 1986
- 22. Arbeiterfestspiele 1988, in Marxwalde
1988 werden in Marxwalde die 22. und letzten Arbeiterfestspiele der DDR abgehalten
702 Veranstaltungen, die von 20000 Berufs- und Laienkünstlern gestaltet wurden und 1,2 Mio. Besucher hatten.
Auszeichnungen: 'Goldmedaille der Arbeiterfestspiele', wurde ab 1964 während der A. verliehen.
- 23. Arbeiterfestspiele Hoyerswerda 1990 (geplant)
Quelle:
Lexikon der Organisationen und Institutionen: Arbeiterfestspiele (AF), S. 1 ff.Digitale Bibliothek Band 32: Enzyklopädie der DDR, S. 7762 (vgl. DDR-Org. u. Inst., S. 70 ff.) (c) 1994 by Rowohlt Taschenbuch Verlag
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