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Palast von Knossos


© Text/Bild aus "Weltgeschichte bis zur Herausbildung des Feudalismus" - EIN ABRISS

"Der Palast von Knossos, der offenbar weniger in Mitleidenschaft gezogen worden war und wieder aufgebaut wurde, vermochte in der folgenden spätminoischen Zeit eine überragende Stellung zu erringen. Die ertragreiche, nicht auf künstliche Bewässerung angewiesene Landwirtschaft sowie der Seehandel gaben den Herren des Palastes von Knossos die Mittel, ihren Wohnsitz prächtig auszugestalten. Während auf Befestigungen auch jetzt verzichtet werden konnte, wohl vor allem wegen der Insellage und der Stärke der kretischen Flotte, zeigte die Ausstattung des Palastes von Knossos, der mit seinen Innenhöfen eine Fläche von 12500 qm bedeckte, eine äußerste Verfeinerung aller Lebensformen der herrschenden Klasse. Die Freskenmalereien mit ihrer Lebendigkeit und Frische sind nur mit den etwa gleichzeitigen Werken der Amarna-Zeit Ägyptens vergleichbar. Die Töpferei, Goldschmiedekunst und Glyptik (Steinschneidekunst) lassen eine hohe Spezialisierung des dem Palast zugeordneten Handwerks erkennen.


Zeichnerische Rekonstruktion des Palastes von Knossos (Ostfront des Westflügels)

"Kreta war bereits im 3. Jahrtausend v.u.Z. in Kontakt zu anderen Ländern des östlichen Mittelmeeres getreten; wobei vor allem der Handel mit Kupfer und Zinn einen bedeutenden Platz einnahm. Archäologisch sind für diese so genannten frühminoische Zeit wohlhabende, städtische Siedlungen nachgewiesen, so Gournia, Mochlos, Palaikastro u. a.
In den so genannten Herrenhäusern lebte eine Oberschicht, die vor allem vom wachsenden Seehandel profitierte. Sie konzentrierte einen immer größeren Teil des Reichtums in ihren Händen. Auch die handwerklichen Produzenten wurden von der sozialen Oberschicht beherrscht. Das Handwerk arbeitete im wesentlichen für den Luxuskonsum sowie für den Export und war damit von dieser Oberschicht abhängig.
Unter diesen Bedingungen kam es an der Wende vom 3. zum 2. Jahrtausend v.u.Z. auf Kreta zur Entstehung des Staates. An seiner Spitze standen Herrscher, die mittels ihrer Palastwirtschaft, ihres Fernhandelsmonopols sowie eines außerökonomischen Zwangs über alle Ressourcen des Landes geboten. Ihre Wohnsitze befanden sich in den so genannten Älteren Palästen, wie sie in Knossos, Mallia, Phaistos und vielleicht auch in Chania (dem antiken Kydonia) nachgewiesen werden konnten.
Durch die Schwäche der Staaten des Vorderen Orients entstand um die Wende zum 2. Jahrtausend v.u.Z im östlichen Mittelmeerraum ein "machtpolitisches Vakuum", das die Expansion des kretischen Handels in dieser Richtung begünstigte. Im Randgebiet der altorientalischen Welt bildete sich mit Kreta ein neues wirtschaftliches und politisches Zentrum heraus, das vor allem Wolle sowie Erzeugnisse des hoch stehenden kretischen Palasthandwerks nach Vorderasien exportierte. In den riesigen Speichern der Paläste fanden sich neben Kupferbarren große Mengen an weiteren Handelsgütern, wie Öl, Getreide, Feigen, Wein, Honig. Gewürzen, Duftstoffen, Wolle, Geweben, Keramik, Werkzeugen und Schmuck. Mit der Ausdehnung ihrer Handelsaktivitäten entwickelten sich die kretischen Palastherren auch zu Zwischenhändlern, die einen Teil der im Handel erworbenen Güter weiterverkauften.

Zur Bewältigung dieser umfangreichen ökonomischen Unternehmungen wurde die Entwicklung einer Schrift notwendig. Es kam zur Einführung der so genannten kursiven Form der kretischen Hieroglyphen- und frühen Linearschrift. Dabei stellen die überlieferten Textzeugnisse eindeutig Buchungen dar. wie Rohstofflieferungen an Handwerker, Mengenangaben über die daraus gefertigten Erzeugnisse, ferner Versorgungsrationen für bestimmte Personengruppen.
Ein schweres Erdbeben beschädigte die so genannten Älteren Paläste, doch wurden sie im Verlauf des 17. Jh. v.u.Z. wieder aufgebaut. Knossos. Phaistos mit Hagia Triada und Mallia erstanden in neuem Glanz. Im Osten Kretas wurde in Kato Zakro ein neuer Palast mit einer Stadt- und Hafenanlage errichtet. Es begann die Periode der so genannten Jüngeren Paläste (etwa 1700-1375), in der die Herrscher von Knossos eine dominierende Rolle zu spielen vermochten. Ein Straßennetz wurde ausgebaut, das die übrigen kretischen Zentren mit dem Palast von Knossos verband. Die weitere Handelsexpansion zielte in den östlichen Mittelmeerraum, wohin sich der Schwerpunkt des vorderasiatischen Handels verlagert hatte. Auf Keos, Melos, Rhodos und Thera sowie an der kleinasiatischen Küste (und hier insbesondere in Milet) werden kretische Handelsniederlassungen gegründet. Mit dieser Orientierung des Handels ist auch die Gründung des neuen Palastes in dem Hafenort Kato Zakro in Verbindung zu bringen.

Die Periode der so genannten Jüngeren Paläste war die Blütezeit des mittelminoischen Kreta. Sie fand durch eine der schrecklichsten Naturkatastrophen des Altertums ihr Ende. Ein Vulkanausbruch auf der Insel Thera (dem heutigen Santorin) ließ gegen Ende des 16. Jh. v.u.Z. nicht nur den größten Teil dieser Insel im Meer versinken, sondern die damit verbundenen Erdbeben und Flutwellen brachten fast ganz Kreta schwerste Verwüstungen, von denen sich einige größere Siedlungen und Paläste nicht mehr erholten.
Der Palast von Knossos, der offenbar weniger in Mitleidenschaft gezogen worden war und wieder aufgebaut wurde, vermochte in der folgenden spätminoischen Zeit eine überragende Stellung zu erringen. Die ertragreiche, nicht auf künstliche Bewässerung angewiesene Landwirtschaft sowie der Seehandel gaben den Herren des Palastes von Knossos die Mittel, ihren Wohnsitz prächtig auszugestalten. Während auf Befestigungen auch jetzt verzichtet werden konnte, wohl vor allem wegen der Insellage und der Stärke der kretischen Flotte, zeigte die Ausstattung des Palastes von Knossos, der mit seinen Innenhöfen eine Fläche von 12500 qm bedeckte, eine äußerste Verfeinerung aller Lebensformen der herrschenden Klasse. Die Freskenmalereien mit ihrer Lebendigkeit und Frische sind nur mit den etwa gleichzeitigen Werken der Amarna-Zeit Ägyptens vergleichbar. Die Töpferei, Goldschmiedekunst und Glyptik lassen eine hohe Spezialisierung des dem Palast zugeordneten Handwerks erkennen.

Im Schiffbau wurden zu dieser Zeit wesentliche Fortschritte erzielt, und ein rationelleres Schriftsystem erleichterte die Aufzeichnung der komplizierter gewordenen wirtschaftlichen Vorgänge. Im 17. Jh. v. u. Z. hatte bereits die syllabische sog. LinearA-Schrift ihre volle Ausbildung erreicht: die Sprache, die mit ihr fixiert wurde, ist noch unbekannt. Feststeht nur, daß es kein Griechisch war.
Über die Lebensweise der bäuerlichen Bevölkerung liegen nur sehr unzureichende Informationen vor. Die Bewohner der einzelnen Dorfgemeinden waren offensichtlich zu regelmäßigen Abgaben, vor allem von Vieh, an den Palast verpflichtet. Daneben konnten sie offenbar auch zu Arbeitsleistungen - wie dem Bau von Palästen, Straßen und Hafenanlagen - herangezogen werden.
Dennoch darf die prunkvolle Ausstattung der kretischen Paläste nicht darüber hinwegtäuschen, daß bereits ein wirtschaftlicher Niedergang eingesetzt hatte, der vor allem auf die zunehmende Handelskonkurrenz mykenischer Zentren des Festlandes zurückzuführen war. Die minoischen Handelsniederlassungen in der Ägäis wurden teilweise aufgegeben, manche von ihnen sogar zerstört. Vielleicht kam es in diesem Zusammenhang auch zu Einfällen der Mykener auf Kreta. Der letzte knossische Palast brannte in der ersten Hälfte des 14. Jh. nieder, wohl durch Einwirkung von Feinden, die offenbar vom Festland kamen. Etwa zur gleichen Zeit wurde auch der Palast des böotischen Theben zerstört. Wahrscheinlich ist auch dieses Zentrum im Norden Opfer der gleichen Gegner geworden."

Quelle:

"Weltgeschichte bis zur Herausbildung des Feudalismus"
EIN ABRISS
Verfasst von einem Autorenkollektiv
unter Leitung von Irmgard Sellnow
Mit 92 Textillustrationen
und 179 Abbildungen, davon 49 mehrfarbigen, auf 144 Kunstdrucktafeln
AKADEMIE-VERLAG o BERLIN
1977

Redaktion: Dankwart Rahnenführer
Erschienen im Akademie-Verlag, 108 Berlin, Leipziger Straße 3-4
© Akademie-Verlag Berlin 1977
Lizenznummer: 202 o 100/308/77 . P 10/77
Gestaltung: Rolf Kunze
Textillustrationen: Annelies Dallmer, Kurt Kilian, Isolde Säuberlich und Gisela Weber
Umschlagzeichnungen: Gisela Weber
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Farbtafeln: VEB Druckhaus Köthen
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