historie
 
   
Rosenzüchtung in der DDR (1954-1989) von Dr. Eckart Haenchen


Während die westdeutschen Rosenzüchter und ihre Sorten in ganz Deutschland bekannt sind, hat sich selbst unter den Rosenliebhabern im westlichen Teil nur sehr wenig herumgesprochen, dass auch in der DDR in den letzten Jahrzehnten eine ganze Reihe Sorten in den Handel gekommen ist. Um darüber zu berichten, ist es erforderlich, einige Rahmenbedingungen zum besseren
Verständnis zu erläutern.


Ausgangsbedingungen

Das traditionelle Rosen-Züchtungszentrum in Deutschland liegt in Schleswig-Holstein. Auf dem Gebiet der DDR gab es praktisch keine Züchtungsarbeit, die auf langjähriger Erfahrung und Tradition beruhte. Anbauzentren waren dagegen vorhanden, es sei nur an den guten Ruf der sächsischen Rosen erinnert.
Verfolgt man die Geschichte, so sind überhaupt nur zwei Züchter erwähnenswert. Anfang des Jahrhunderts sind einige Sorten von Robert Türke, einem Porzellanmaler aus Meißen, bekannt geworden, der die Züchtung aus Liebhaberei betrieb. Eine größere Anzahl Sorten brachte Hermann Kiese heraus, der anfangs bei I. C. Schmidt in Erfurt arbeitete und dann einen eigenen Betrieb in Vieselbach bei Erfurt betrieb. Einige Firmen, wie die Baumschule Teschendorff in Cossebaude bei Dresden, brachten eine Anzahl Sorten in den Handel, die von anderen Züchtern übernommen wurden, ohne daß aber eine eigene Züchtungsarbeit erfolgte.

Nach dem 2. Weltkrieg und der Teilung Deutschlands änderte sich die Situation. Die geschäftlichen und kollegialen Verbindungen wurden zunehmend schwieriger und rissen weitgehend ab. Die Sorten wurden durch Warenzeichen, Sortenschutz geschützt und waren nicht mehr frei verfügbar. Noch 1949 brachte die Baumschule Teschendorff mit der Sorte 'Werner Teschendorff eine von der Firma Tantau gezüchtete Rose in den Handel.
Aufgrund der alten Verbindungen kamen anfangs noch eine Reihe Sorten in die DDR. In den Lebenserinnerungen meines Vaters, der die Baumschule Teschendorff bis zur Verstaatlichung leitete, findet sich folgende Bemerkung: "Aufgrund der freundschaftlichen Beziehungen mit den Firmen Tantau und Kordes ... wurde uns geholfen. Ich erinnere mich, als erster von ihnen die Sorten 'Virgo', 'August Seebauer', 'Fanal', 'Fashion', 'Gelbe Holstein', 'Käthe Duvigneau' erhalten zu haben."
Etwa Ende der fünfziger Jahre kam noch ein Vertrag mit der Firma Strobel zustande, der einige Zeit die Vermehrungsrechte für eine Anzahl Sorten beinhaltete.

Ich erinnere mich an Sorten wie 'Rendezvous', 'Tzigane', 'Grand'mere Jenny' und 'Monique'. Dann waren jedoch keine Devisen mehr vorhanden und der Vertrag konnte nicht verlängert werden. Durch die Planwirtschaft und das Staatshandelsmonopol lag es nicht im Ermessen und den Möglichkeiten des einzelnen Betriebes, Sorten zu übernehmen. Einige wenige geschützte Sorten wurden im Laufe der Jahre in die DDR eingeführt, oft mit jahrelanger Verspätung, so z. B. Teehybriden: 'Baccara', 'Fritz Thiedemann', 'Montezuma', 'Super Star', 'Volcano'. Beetrosen: 'Feurio', 'Lilli Marleen', 'Masquerade', 'Muttertag', 'Meteor', 'Queen Elizabeth', 'Rodeo', 'Vatertag'. Kletterrosen:
'Gruß an Heidelberg'. Zwergrosen: 'Baby Maskerade', 'Zwergkönig', 'Zwergkönigin'.
Aus den Namen geht bereits hervor, wie lange diese Geschäfte zurückliegen, und sie verdeutlichen die entstandene Situation. Das Sortiment der DDR veraltete und verarmte zusehends. Um dem zu entgehen, machten sich einige Unentwegte daran, selbst Rosen zu züchten.

Züchter

Da die Entwicklung in mehreren Betrieben und Instituten weitgehend parallel begann und verlief, sei hier von der chronologischen Entwicklung abgesehen. Erste eigene Sorten kamen ab 1954 von Walter Berger in Bad Langensalza in den Handel. Die ersten Sorten, die bis 1959 erschienen, hatten in der DDR nur geringe Bedeutung. Nach seinem Tode ging der Betrieb in die Gärtnerische Produktionsgenossenschaft (GPG) "Roter Oktober" über, die Züchtung führten seine Frau Anni Berger und der Sohn Hermann Berger weiter.
Nachdem durch die Einführung eines sogenannten Neuheitenpreises auch für den Züchtungsbetrieb ein finanzieller Rückfluß möglich wurde, kamen ab 1964 wieder Sorten in den Handel. Die GPG engagierte sich mehr für die Rosenzüchtung. Die Glasfläche erweiterte sich von 60 m2 im Jahre 1960 über 600 m2 auf 2 200 m2 Glasfläche durch Neubau. 1971 wurde mit der Züchtung von Sorten für die Kultur unter Glas begonnen, 1980 wurde ein in-vitro-Labor u. a. für die Rosenzüchtung eingerichtet.

Als Hermann Berger 1980 plötzlich starb, wurde die Züchtungsarbeit bis 1989 unter Leitung von Gudrun Dube fortgeführt, 1990 übernahm dieses Amt Karsten Kley. Bis zum Jahre 1990 kamen aus Langensalza insgesamt 80 Sorten in den Handel, von denen noch 51 im Sortiment sind. Die ersten Sorten mit umfangreicher Verbreitung in der DDR kamen aus dem Institut für Zierpflanzenbau Berlin-Köpenick, die unter Leitung von Prof. Dr. Helmut Rupprecht und seinem Mitarbeiter Alfred Radke entstanden. Obwohl diese Sorten "nur" Zwischenprodukte auf dem Weg zu neuen Hausrosensorten sein sollten, bewährten sie sich im Freiland sehr gut. Die Arbeiten mußten jedoch bereits im Jahr 1964 abgebrochen werden, als das Volkseigene Gut Saatzucht (VEG (S)) Baumschulen Dresden gegründet wurde und dieser Betrieb die Züchtung durchführen sollte. Eine Reihe weiterer Rosensorten kam aus dem Institut für Obstbau Dresden-Pillnitz, die durch die Arbeiten von Dr. Johann Schmadlak entstanden, der sich neben seinen Aufgaben in der Obstzüchtung in beschränktem Umfang mit der Rosenzüchtung beschäftigte. Als die Arbeit im Institut nicht mehr möglich war, führte er die Züchtung privat weiter und brachte noch einige Sorten durch die GPG "Im Lockwitztal" in Gombsen in den Handel. Eine weitere Rosensorte aus dem Institut für Obstbau entstand aus den Arbeiten von Frau Dr. Hanna Streitberg, die sich wissenschaftlich mit der Entstehung von Sporten durch Röntgenstrahlung, u. a. bei Rosen, beschäftigte.

In der Baumschule Victor Teschendorff KG in Cossebaude bei Dresden begann Dr. Ekkart Haenchen im Jahr 1963 unter primitivsten Bedingungen neben anderen Aufgaben mit der Rosenzüchtung. Als Gewächshaus stand beispielsweise ein sogenanntes Fensterverbinderhaus zur Verfügung, das sind zusammengesetzte Frühbeetfenster. Als diese Arbeiten begannen, finanzielle Früchte zu tragen, wurde der Betrieb 1972 verstaatlicht und dem VEG (S) Baumschulen Dresden zugeschlagen. Das gesamte Zuchtmaterial wurde ohne finanzielle Entschädigung übernommen.

Das VEG (S) Baumschulen Dresden hatte unter Dr. Siegfried Stritzke 1964 die Rosenzüchtung begonnen. Die Züchtung wurde 1972 insgesamt nach Cossebaude verlagert und später unter Leitung von Dr. Eckart Haenchen weitergeführt. Aus diesen Arbeiten ging eine Reihe in der DDR führende Sorten hervor, insgesamt bis 1990 mehr als 60 Sorten. Die Arbeitsbedingungen waren bis in die Gegenwart alles andere als optimal, zur Verdeutlichung nur als Beispiel, dass im Jahre 1990 erstmalig ein ordnungsgemäß heizbares Gewächshaus zur Verfügung stand.
Aus der dargestellten Entwicklung ergab sich, daß in den vergangenen 20 Jahren neue Sorten fast nur noch aus dem VEG (S) Baumschulen Dresden und der GPG "Roter Oktober" kamen.

Gesetzliche Regelungen

Zum Verständnis der Entwicklung ist es notwendig, einige weitere Bedingungen zu erläutern. So gab es seit 1962 eine Verordnung über die Zulassung von Sorten. Sie legte fest, dass in der DDR nur Sorten vermehrt und gehandelt werden dürfen, die " .. zugelassen und in die Sortenliste aufgenommen ..." waren. Diese Sortenliste, die etwa alle 4 bis 5 Jahre veröffentlicht wurde, enthielt in der Regel um die 200 Rosensorten. Vor der Zulassung lag eine bei Rosen auf 3 Jahre festgesetzte Prüfungspflicht durch die Zentralstelle für Sortenwesen. Bei positivem Abschluß der Prüfungen wurde die zukünftige Sorte durch eine zentrale Sortenzulassungskommission zur Zulassung empfohlen. Die Zulassung selbst genehmigte und unterschrieb der Minister für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft.

Ein Sortenschutzgesetz besteht in der DDR seit 1972. Als Besonderheit ist anzumerken, daß es neben dem international üblichen Ausschließungssortenschutz für die Betriebe einen Wirtschaftssortenschutz gab, der praktisch ausschließlich zur Anwendung kam.
Schließlich ist noch etwas zur Namensgebung zu sagen. Neben den üblichen Regelungen zur Sortenbezeichnung schloß das Sortenschutzgesetz gleich unter Punkt l Bezeichnungen aus, die "... gegen die Grundsätze der sozialistischen Ordnung verstoßen".

Wie so etwas ausgelegt wurde, hatte bis in die jüngste Vergangenheit bittere Folgen:
Dass Könige nicht für den Sozialismus sein konnten, war selbstverständlich. Konsequent ging das bis in die Märchenwelt, und so mußten die Sorten 'Zwergkönig' und 'Zwergkönigin' verschwinden. 'Queen Elizabeth' konnte gerade noch als 'Elizabeth-Rose' neutral gerettet werden.
'Fritz Thiedemann' hatte sich wohl nicht positiv über den Sozialismus geäußert, so mußte die Sorte weg. Ein Glück nur, dass sein Pferd 'Meteor' nicht sprechen konnte!
'Muttertag' und 'Vatertag' waren verdächtig, zumal es diese Tage in der DDR offiziell nicht gab, und sie wurden gestrichen. Sie fanden später wieder als 'MUsica' und 'VAleria' über die Hintertür Eingang. Die Dame 'Lilli Marleen' war suspekt, aber als 'Lilli' gerade noch gelitten. Für die bundesdeutsche Stadt Heidelberg konnte man selbstverständlich keine Reklame machen und so mußte die Sorte 'Gruß an Heidelberg' verschwinden. Aber so richtig wußten die dienstbeflissenen Prüfer wohl in Geographie nicht Bescheid, denn sonst hätten sie auch 'Elmshorn' streichen müssen. Ähnlich erging es 'Geheimrat Duisberg'. Unter Weglassung des "Geheimrat" blieb die Sorte im Sortiment, wohl, weil diese Leute den Zusammenhang von Geheimrat Duisberg mit den in der DDR verteufelten IG Farben nicht kannten.

Ja selbst die DDR-Sorte 'Wehrinsel' musste in diesem Zuge fallen, da sie "militaristische" Gedanken assoziierte! Zur Erklärung: Die Sorte ist nach der Wehrinsel benannt, auf der der Rosengarten in Forst/Lausitz liegt, genannt nach dem Wehr, das das Wasser staut.

Vermarktung

Es war schon gesagt, daß es in der DDR einen sogenannten Neuheitenpreis gab, der sich in einen dem Vermehrungsbetrieb verbleibenden und einen abzuführenden Anteil gliederte. Da zu dieser Zeit die Rose in der DDR maximal mit 1,70 Mark an den Kunden verkauft wurde, wurde dieser Aufschlag verständlicherweise gern genommen. Die Laufzeit dieses Zuschlages betrug grundsätzlich 5 Jahre, dann fiel der Preis der Sorte auf das Niveau der anderen Sorten zurück. Mit einer sogenannten Agrarpreisreform wurde diese Regelung 1984 abgeschafft und ein einheitlicher Preis eingeführt. Die Kosten für die Züchtung wurden staatlich gestützt. Ein weiteres Problem bestand in fehlender Werbung. Ausgehend von der These, dass - nicht nur bei Rosen - gute Produkte sich von selbst durchsetzen und Werbekosten unnötig seien, war es fast unmöglich, neue Sorten bekanntzumachen.

Da alles geplant wurde, wurden auch Papier und Druckgenehmigungen von entsprechenden Dienststellen verteilt oder besser: nicht verteilt. So war es nur selten möglich, Sortenbeschreibungen und Kataloge zu drucken oder gar mit Bild zu werben. Außerdem durfte man keine Käuferwünsche wecken, da Rosen, wie so vieles andere, nie ausreichend angeboten werden konnten und Werbung deshalb nur Probleme ausgelöst hätte.
Damit erklärt sich recht einfach, warum die in der DDR gezüchteten Rosen in Westdeutschland praktisch nicht bekannt geworden sind. Es wurden zwar jährlich erhebliche Mengen Pflanzen auch in die Bundesrepublik verkauft, in den Angeboten aber nur selten ein Züchternachweis gegeben.

Rosenanbau in der DDR

Im Gegensatz zu den Entwicklungen in anderen Ländern hat es im Anbau in der DDR in den letzten Jahrzehnten kaum Veränderungen gegeben. So sah das Anbau Verhältnis der Rosenklassen etwa so aus:

Teehybriden 57,0 %
Beetrosen 33,0 %
Kletterrosen 07,0 %
Strauchrosen 02,5 %
Zwergrosen 00,5 %

Dieses Verhältnis ist vor allem damit zu erklären, dass etwa 85 % der Rosen an Privatkundschaft abgesetzt wurden. Auch bei den Farbanteilen gab es nur geringe Verschiebungen, allerdings auffallende Unterschiede zwischen Teehybriden und Beetrosen in den Farbgruppen Rosa und Gelb.

Anteile der Farben an der Vermehrung in %
FarbgruppeTeehybridenBeetrosen
Rot 47 % 50%

Rosa

12%28%
Gelb31%15%
Weiß 04% 03%
mehrfarbig04% 02%
"Blau" 02% 02%


Sortenspektrum

Das Sortenspektrum und die Verteilung auf die Hauptzüchter sah mit Stand Herbst 1990 folgendermaßen aus:


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Aus dieser Tabelle ist zu ersehen, daß von den insgesamt 189 bisher in der DDR gezüchteten und zur Vermehrung und zum Handel zugelassenen Sorten noch 127 im Sortiment sind.
(Dr. E. Haenchen)

Quelle:
"Rosenjahrbuch - 1990"
Herausgeber: Verein Deutscher Rosenfreunde
Geschäftsstelle - VDR
Waldseestrasse 14
7570 Baden-Baden

Gesamtherstellung: Franz W. Wesel
Druckerei und Verlag GmbH und Co. KG.
Rheinstrasse 219-221, D-7570 Baden-Baden
Alle Rechte beim VDR
Mai 1990


In den vergangenen Jahren war allerdings die Tendenz zu beobachten, dass eine relativ geringe Sortenzahl einen immer größeren Anteil bei der Vermehrung einnahm und die übrigen Sorten mehr oder weniger zur Bedeutungslosigkeit degradierte. In der Reihenfolge des Anbaus sah das 1989 beispielsweise so aus: Es wurden 12 Sorten mit mehr als 100000 Stück veredelt. Darunter befanden sich die folgenden in der DDR gezüchteten Rosen:

Platz l: 'Komet'
Platz 2: 'Citrina'
Platz 9: 'Kontrast'
Platz 10: 'Bonjour'
Platz 11: 'Basilika'
Platz 12: 'Rosa Sinfonie'

Allein diese sechs Sorten nahmen bisher mehr als ein Viertel der gesamten Vermehrung ein. Diese erläuterten Konstellationen sind zu einem beträchtlichen Teil der Isolierung der DDR zuzuschreiben.
Diese Relationen werden sich nach Öffnung des Marktes mit Sicherheit nicht erhalten. Es besteht sogar die Wahrscheinlichkeit, dass die bisherige "Abstinenz" von westlichen Sorten wie bei anderen Produkten zu der in die gegenteilige Richtung extremen Situation führt, dass vorwiegend diese Sorten als erstrebenswert angesehen werden, obwohl zumindest bei den Freilandrosen eine ganze Reihe Sorten aus der DDR jedem Vergleich standhält.