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Pflanzengeographische Verbreitungsgebiete — Die Florenreiche der Erde


Nachfolgender Text wurde dem Buch "Pflanzenwelt der Erde" entnommen und ist nur zum privaten Gebrauch bestimmt.

Florenreiche und Vegetationszonen der Erde

Durch den Einfluss der biotischen und abiotischen Umweltfaktoren sowie die Entwicklung im Laufe der Geschichte kam es zur Ausbildung der heutigen Pflanzenwelt, zur Verbreitung der einzelnen Arten wie zur Herausbildung und Begrenzung der Vegetationseinheiten. Man kann eine räumliche Gliederung des Pflanzenkleides der Erde nach 2 Gesichtspunkten vornehmen. Entweder wird die Flora in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt - oder die Vegetation. Diese beiden Begriffe dürfen nicht verwechselt werden. Unter Flora wird die Gesamtheit der in einem bestimmten Gebiet vorkommenden Pflanzensippen verstanden, wobei es sich meist um Arten, bei großen Gebieten aber ebenso gut um Gattungen oder Familien handelt. Den Bezugspunkt bilden hierbei immer taxonomische Einheiten. Anders verhält es sich mit der Bezeichnung Vegetation. Hierunter versteht man die Gesamtheit der Pflanzen, die ein Gebiet bedecken, unabhängig von deren taxonomischer Zugehörigkeit. Der Begriff der Vegetation bezieht sich demnach mehr auf die Masse an Pflanzen und ihr Zusammenleben. Es ist keineswegs ein Widerspruch, wenn man z. B. sagt. daß ein Gebiet mit einer armen Flora (d.h. wenigen Arten) eine reiche Vegetation trägt. Umgekehrt weist etwa ein Steppenheidehang zwar eine Fülle von Arten auf, besitzt also eine reiche Flora, aber der Boden braucht deswegen nur schütter von Pflanzen bedeckt zu sein - es herrscht dort eine arme Vegetation.

Florenräumliche Gliederung der Erde

Viele Forschergenerationen haben in mühevoller Kleinarbeit Baustein um Baustein zur Kenntnis der Floren der verschiedensten Gebiete zusammengetragen. Vergleichende Auswertungen zeigten, daß man verschiedene Florengebiete unterscheiden kann. die sich von anderen in ihrem Sippenbestand mehr oder weniger deutlich unterscheiden. Je nach dem Ausmaß dieser Unterschiede konnte man eine Rangstufung von Florengebieten herausarbeiten. Es ist selbstverständlich unterschiedlich zu bewerten, ob sich 2 Gebiete nur in einem Teil ihres Artenbestandes unterscheiden oder ob sie ein verschiedenes Gattungs- oder gar Familieninventar haben, wie hoch der Anteil endemischer Sippen ist und welchen taxononomischen Rang diese einnehmen usw. Die das höchste Maß an Eigenständigkeit aufweisenden Florengebiete werden als Florenreiche, die mit jeweils geringerer als Florenregionen, -provinzen und -bezirke bezeichnet. Allerdings hat diese Rangordnung der Florengebiete nichts mit deren Flächengröße zu tun, sondern sie hängt lediglich vom Ausmaß der floristischen Selbständigkeit und damit zugleich vom Selbständigkeitsgrad der florengeschichtlichen Entwicklung ab.

Man unterscheidet auf der Erde 6 Florenreiche:

1. Holarktis
2. Paläotropis
3. Neotropis
4. Australis
5. Capensis
6. Antarktis

1. Holarktisches Florenreich (Holarktis)

Die Holarktis ist der Fläche nach das größte Florenreich der Erde, das sich über den ganzen außertropischen Teil der Nordhemisphäre erstreckt. Der Verlauf der Südgrenze ist zwar stellenweise noch Gegenstand wissenschaftlicher Diskussionen, kann aber in großen Zügen als eindeutig angesehen werden. Die Holarktis umfasst ein verhältnismäßig gut umgrenztes und auch floristisch einheitliches Gebiet, das durch eine recht große Zahl von Pflanzenfamilien und Gattungen charakterisiert wird, die entweder fast ausschließlich hier vorkommen oder doch in diesem Raum ihren Verbreitungsschwerpunkt haben. Verständlicherweise handelt es sich dabei meist um uns geläufige und gut bekannte Familien oder Gattungen, wie z. B. um Ahorngewächse (Aceraceae), Doldenblütler (Apiaceae), Kreuzblütler (Brassicaceae), Nelkengewächse (Caryophyllaceae). Birken- und Buchengewächse (Betulaceae, Fagaceae), Rosen-, Primel- und Hahnenfußgewächse (Rosaceae, Primulaceae. Ranunculaceae) usw. Auch die artenreiche Gattung Segge (Carex) hat hier ihre Hauptverbreitung.
Ein so großes Gebiet wie die Holarktis umgreift ganz verschiedene Klimate, was sich selbstverständlich auf die Florenzusammensetzung auswirkt. Die Florenregionen, von denen je nach Auffassung 8 bis 12 unterschieden werden können, entsprechen daher zum großen Teil den verschiedenen Klimazonen und sind damit zugleich durch spezifische Vegetationseinheiten gekennzeichnet. Die zirkumarktische Florenregion entspricht der Tundrazone, die zirkumboreale Region der Zone der borealen Nadelwälder, die mitteleuropäische Region dem Bereich der sommergrünen Laubmischwälder. die makaronesisch-mediterrane Region dem Bereich der Hartlaubvegetation, die pontisch-südsibirische dem Steppen- und die turanisch-orientalische Region dem Halbwüsten- und Wüstengürtel der Holarktis. Ähnliche Beziehungen bestehen auch bei den anderen Florenregionen dieses Florenreiches, auf deren Nennung wir hier verzichten.
In der weiteren Unterteilung der Florenregionen in Provinzen kommen dagegen in erster Linie florengeschichtliche Aspekte zum Ausdruck und dabei besonders die Auswirkungen der Eiszeiten.

2. Paläotropisches Florenreich (Paläotropis)

Die Paläotropis ist der Fläche nach das zweitgrößte, der Artenzahl nach aber das reichste Florengebiet. Es umfaßt die Tropen und Subtropen der Alten Welt, d. h. den größten Teil von Afrika, Vorderasien, Indien, Südostasien und die pazifische Inselwelt. Unterschiedliche Auffassungen bestehen besonders hinsichtlich Neuseelands, das von manchen Forschern zur Paläotropis, von anderen zur Australis oder zum antarktischen Florenreich gerechnet wird.
Etwa 47% aller in den tropischen Gebieten vorkommenden Gattungen sind auf die Paläotropis, 40% auf die Neotropis beschränkt, und nur 13% sind diesen beiden Florenreichen gemeinsam, stellen pantropische Gattungen dar. Pantropische Arten zählen dagegen fast zu den Seltenheiten. Ebenso sind zahlreiche Pflanzenfamilien auf das eine oder andere tropische Florenreich beschränkt oder weisen wenigstens in einem von ihnen Schwerpunkte auf. Von diesen Sippen wollen wir nur ganz wenige nennen, da die meisten dem Laien kaum bekannt sein dürften. Vorwiegend paläotropische Formenkreise sind z.B. die Kannenpflanzengewächse (Nepenthaceae). Schraubenpalmengewächse (Pandanaceae), Muskatnussgewächse (Myristicaceae), Schwalbenwurzgewächse (Asciepiadaceae), die Dipterocarpaceen, die Gruppe der stammsukkulenten Wolfsmilcharten (Euphorbia), viele Maulbeergewächse (Moraceae), dabei besonders die Gattung Feige (Ficus), oder die Liliaceengattungen Aloe. Sansevieria (Bogenhanf) und Dracaena (Drachenbaum).
Nach dem Florencharakter ist die Paläotropis in 2 Hauptteile geschieden, in einen westlichen indoafrikanischen und einen östlichen malesischen. Diese Differenzierung ist florengeschichtlich bedingt
3. Neotropisches Florenreich (Neotropis)

Die Neotropis ist das neuweltliche Gegenstück zur Paläotropis und umfaßt den Bereich südwärts von Niederkalifornien bis Florida, d. h. ganz Mittel- und den allergrößten Teil von Südamerika. Besonders kennzeichnende neotropische Familien sind die Ananasgewächse (Bromeliaceae), Kakteen (Cactaceae), Kapuzinerkressengewächse (Tropaeolaceae), Blumenrohrgewächse (Cannaceae), Melastomataceae u. a. Als charakteristische Gattungen können Yucca, Agave oder Fuchsia genannt werden. Die Neotropis ist außerordentlich reich an Endemiten.

4. Australisches Florenreich (Australis)

Zur Australis werden Australien und Tasmanien gerechnet. Infolge der frühen Abtrennung machte dieses Gebiet eine lange, selbständige Entwicklung durch, die dazu führte, daß die Australis von allen Florenreichen das eigenständigste ist und eine Sonderstellung einnimmt. Von den etwa 10000 Arten sind reichlich 8600 und von den Gattungen die meisten endemisch. Als besonders kennzeichnend können die Gattungen Eucalyptus mit etwa 500 Arten, die Proteaceengattung Melaleuca mit 100 Arten, die merkwürdigen Grasbäume der Gattung Xanthorrhoea, die den Liliengewächsen nahe steht, oder die Kasuarinengewächse (Casuarinaceae) gelten. Auch die mit 700 bis 800 Arten recht große und vielgestaltige Gattung Acacia ist mit mehr als der Hälfte ihrer Arten auf die Australis beschränkt. Die den Heidekrautgewächsen nahe stehende Familie der Epacridaceen stellt mit 400 Arten geradezu das australische Gegenstück der Ericaceen dar.

5. Kapländisches Florenreich (Capensis)

Obwohl die Capensis das kleinste aller Florenreiche ist - es umfaßt nur die südlichste Spitze Afrikas -, zeichnet es sich mit mehr als 6000 Blütenpflanzenarten durch einen bemerkenswerten Formenreichtum und eine Fülle von endemischen Sippen aus. Mit der paläotropisch-afrikanischen Flora bestehen auffallend geringe Übereinstimmungen, dagegen weist eine Reihe von Familien (besonders Proteaceen und Restionaceen) auf Verbindungen zum Australischen und Antarktischen Florenreich hin. Von den Proteaceen gibt es etliche Gattungen, die auf die Capensis beschränkt sind, wie Protea, Leucadendron u. a. Auch andere Familien weisen mitunter sehr artenreiche kapländische Gattungen auf, wie die blattsukkulenten Mittagsblumen (Mesembryanthemum) und andere Gattungen der Eiskrautgewächse (Aizoaceae), die Pelargonien mit fast 250 Arten unter den Storchschnabelgewächsen (Geraniaceae), die Amaryllisgewächse mit der Gattung Clivia, die Schwertliliengewächse mit der Gattung Freesia oder die Liliengewächse mit den blattsukkulenten Gattungen Haworthia und Gasteria. Viele dieser Sippen stellen bei uns beliebte und bekannte Zimmerpflanzen dar. Ungemein reich sind weiterhin die Heidekrautgewächse (Ericaceae) entfaltet. Die Gattung Erica weist in der Capensis sogar ein sekundäres Entwicklungszentrum auf. Nicht weniger als 500 bis 600 Arten kommen allein in diesem kleinen Gebiet vor.

6. Antarktisches Florenreich (Antarktis)

Zum letzten, dem Antarktischen Florenreich, gehören außer dem antarktischen Festland, das nur wenigen Pflanzenarten Lebensraum bietet, die Inseln der südlichen Meere (Falklandinseln, Kerguelen usw.) und der südlichste Teil von Südamerika (Westpatagonien und Feuerland) einschließlich der südwärts anschließenden Inselbögen. Von vielen Forschern wird auch Neuseeland oder wenigstens dessen Südinsel zum Antarktischen Florenreich gerechnet. Spezifisch antarktisch sind 13 Gattungen, die zu ebenso vielen Familien gehören, wie z. B. Acaena (Rosengewächse), die ungemein harte Polster bildende Azorella (Doldenblütler), die durch z.T. riesige Blätter ausgezeichnete Gunnera (Seebeerengewächse) oder die Südbuche Nothofagus (Buchengewächse)

Wenn man die Lage und Größe dieser 6 Florenreiche betrachtet, fällt sofort auf, daß sie nach Süden zu immer kleiner und stärker aufgesplittert werden. Während die ganze außertropische Nordhemisphäre von einem einzigen Florenreich - der Holarktis - eingenommen wird, sind es im tropischsubtropischen Bereich 2 und in den am weitesten südwärts gelegenen Bereichen sogar 3 Florenreiche. Dies spiegelt die erdgeschichtliche und die damit verbundene florengeschichtliche Entwicklung wider, d. h. die im Prinzip vom Süden nach Norden erfolgte Trennung und Isolierung der Kontinente. Auf der anderen Seite wiederum zeigen verbindenden Florenelemente, daß die Entwicklung der Pflanzenwelt in den einzelnen Florenreichen aber nicht unabhängig voneinander erfolgte.

Quelle:

"Pflanzenwelt der Erde"

Autoren des Buches:

Prof. Dr. Franz Fukarek, Greifswald
Unser grüner Planet bis Florenreiche und Vegetationszonen der Erde, Boreale Nadelwaldzone, Arktische Tundrenzone

Dr. Werner Hempel, Dresden
Hartlaubvegetation der Winterregengebiete, Warmtemperierte Feucht- und Lorbeerwälder, Sommergrüne Laubwaldzone

Dr. Helmut Hübel, Kloster/Hiddensee
Pflanzenwelt der Meere

Dozent Dr. Gerd Müller, Leipzig
Tropische Regenwaldzone

Dr. Roland Schuster, Greifswald
Tropische Sommerregenzone, Hochgebirgsvegetation

Dr. Michael Succow, Eberswalde
Halbwüsten- und Wüstenzone, Steppenzone


2. Auflage 1980. 41. bis 60. Tausend
Alle Rechte vorbehalten
© Urania-Verlag Leipzig o Jena o Berlin,
Verlag für populärwissenschaftliche Literatur, Leipzig 1979
VLN 212-475/45/80 o LSV 1359 D 144/79
Lektor: Christoph Needon
Farbzeichnungen und -tafeln: Hans-Jürgen Ehricht, Köthen,
Arthur Lipsch, Halle, Elisabeth Illert, Leipzig,
und Hermann Walter, Dresden
Karten: Wilfried Görtier
Schutzumschlag und Einband: Hans-Jürgen Ehricht und
Helmut Seile
Typografie: Helgard Reckziegel
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Lichtsatz: INTERDRUCK Graphischer Großbetrieb
Leipzig - III/18/97
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