gehoelze
 
   
Pilemon und Baucis


in einer Ovid - Übersetzung
in Goether Faust II 5. Akt

Die schönsten Sagen des klassischen Altertums

Auf einem Hügel im Lande Phrygien steht eine tausend-jährige Eiche und dicht neben ihr eine Linde von gleichem Alter, beide von einer niedrigen Mauer umgeben. Mancher Kranz ist an den Ästen des nachbarlichen Paares aufgehängt. Nicht weit davon breitet ein sumpfiger See die seichte Flut; wo vordem bewohntes Erdreich war, da flattern jetzt nur Taucher und Fischreiher umher. Einst kam in diese Gegend Vater Zeus mit seinem Sohne Hermes, der nur den Stab, nicht aber den Flügelhut trug. In menschlicher Gestalt wollten sie die Gastlichkeit der Menschen versuchen; darum klopften sie an tausend Türen, um ein Obdach für die Nacht bittend. Aber hart und selbstsüchtig war der Sinn der Bewohner, so daß die Himmlischen nirgends Einlaß fanden. Siehe, da stand ein Hüttchen am Ende des Dorfes, niedrig und klein nur, mit Stroh und Sumpfrohr gedeckt; aber im ärmlichen Hause wohnte ein glückliches Paar, der biedre Philemon und Baucis, sein gleichaltriges Weib. Dort hatten sie zusammen die frohe Jugend durchlebt, dort waren sie zu weißhaarigen Alten geworden. Sie machten keinen Hehl aus ihrer Armut, aber leicht ertrugen sie ihr dürftiges Los, heiter und freundlich, in herzlicher Liebe, wenn auch kinderlos, schalteten sie in dem niedrigen Häuschen, das sie allein miteinander bewohnten.

Als nun die hohen Gestalten der beiden Götter diesem ärmlichen Dache sich nahten und die niedere Pforte mit gebücktem Haupte durchschritten, kam ihnen das wackre Paar mit herzlichem Gruße entgegen, der Greis stellte die Sessel zurecht, die Baucis mit grobem Gewebe bedeckte, und bat die Gäste, sich auszuruhen. Das Mütterchen eilte geschäftig zum Herde, stöberte in der lauen Asche nach einem glimmenden Funken, häufte trocknes Holz und Reisig und blies aus dem Qualm mit schwachem Atem die Flamme an. Drauf trug sie gespaltenes Holz herzu und schob es unter den kleinen Kessel, der über dem Feuer hing. Unterdessen hatte Philemon Kohl aus dem wohlbewässerten Gärtchen geholt, den die Alte eifrig entblätterte, hob mit der zweizinkigen Gabel einen geräucherten Schweinsrücken von der rußigen Decke des Gemaches (lange hatten sie ihn zu festlicher Gelegenheit aufgespart) und schnitt ein mäßiges Stück von der Schulter, um es ins siedende Wasser zu werfen.

Damit nun aber den Fremdlingen die Weile nicht lang werde, bemühten sie sich, durch harmloses Gespräch sie zu unterhalten. Auch gossen sie Wasser in die hölzerne Wanne, auf daß jene am Fußbad sich erquickten. Freundlich lächelnd nahmen die Götter das liebreich Gebotene an, und während sie die Füße behaglich ins Wasser streckten, richteten die guten Wirte das Ruhebett. Dieses stand inmitten der Stube, mit Teichschilf waren die Polster gestopft, von Weidengeflecht die Füße und das Gestell; aber Philemon brachte Teppiche geschleppt, die sonst nur an festlichen Tagen hervorgeholt wurden - ach, auch sie waren alt und schlecht, und dennoch legten die göttlichen Gäste sich gern darauf, um nun das fertige Mahl zu genießen. Denn jetzt stellte das Mütterchen, geschürzt und mit zitternden Händen, den dreibeinigen Tisch vor das Lager, und da er nicht fest stehen wollte, schob sie dem zu kurzen Fuß eine Scherbe unter; darauf rieb sie die Platte mit frischer Krauseminze und trug die Speisen auf.

Da waren Oliven, herbstliche Kornelkirschen, eingemacht in klarem, dicklichtem Safte, auch Rettich, Endivien und trefflicher Käse und Eier, in warmer Asche gesotten. Alles das brachte Baucis auf irdenem Geschirr, und dabei prangte der bunte tönerne Mischkrug und zierliche Becher aus Buchenholz, innen mit gelbem Wachs geglättet. Weder von hohem Alter noch gar zu süß war der Wein, den der redliche Wirt einschenkte. Jetzt aber sandte der Herd die warmen Gerichte, und die Becher wurden zur Seite geschoben, damit es an Platz nicht mangle für den Nachtisch. Nüsse, Feigen und runzlichte Datteln wurden herbeigetragen, auch zwei Körbchen mit Pflaumen und duftenden Äpfeln; selbst Trauben vom purpurnen Weinstock fehlten nicht, und in der Mitte der Tafel prangte eine weißliche Honigscheibe. Die schönste Würze des Mahles aber waren die guten freundlichen Gesichter der wackern Alten, aus denen Freigebigkeit und treuherziger Sinn sprachen.

Während nun alle an Speise und Trank sich labten, bemerkte Philemon, daß der Mischkrug trotz der immer von neuem gefüllten Becher sich nicht leeren wollte und stets der Wein wieder bis zum Rande emporwuchs. Da erkannte er mit Staunen und Furcht, wen er beherbergte; ängstlich flehte er samt seiner greisen Genossin mit emporgehobenen Armen und demütig gesenkten Augen, daß sie gnädig auf das dürftige Mahl schauten und ob der schlechten Bewirtung nicht zürnten. Ach, was sollen sie nur den himmlischen Gästen bieten? Richtig, da fällt ihnen ein: draußen im Ställchen ist ja die einzige Gans, die wollen sie sogleich opfern! Beide eilen hinaus, aber die Gans ist schneller als sie; mit Geschrei und flatternden Flügeln entwischt sie den keuchenden Alten und lockt sie bald hier-, bald dorthin. Zuletzt gar rannte sie ins Haus hinein und verkroch sich hinter den Gästen, als ob sie die Unsterblichen um Schutz flehte.

Und er ward ihr gewährt; die Gäste wehrten dem Eifer der beiden Alten und sprachen mild lächelnden Mundes also: "Wir sind Götter! Der Menschen Gastlichkeit zu erforschen, stiegen wir nieder zur Erde. Eure Nachbarn fanden wir ruchlos, und sie sollen der Strafe nicht entrinnen. Ihr aber verlaßt dieses Haus und folget uns hinauf auf die Höhe des Berges, damit ihr nicht unschuldig mit den Schuldigen leidet." Die beiden gehorchten; auf Stäbe gestützt, strebten sie mühsam den steilen Berg hinan. Noch einen Pfeilschuß waren sie vom höchsten Gipfel entfernt, da wandten sie ängstlich den Blick und sahen die ganze Flur in einen wogenden See verwandelt, nur einzig ihr Häuschen war von allen Gebäuden noch übrig. Während sie noch staunten und das Schicksal der andern beweinten, siehe, da ward die alte ärmliche Hütte zum ragenden Tempel; von Säulen getragen, schimmerte das goldne Dach, Marmor deckte den Boden. Und jetzt wandte sich Zeus mit gütigem Antlitz zu den zitternden Alten und sprach: "Saget mir, du redlicher Greis und du, des Redlichen würdige Gattin, was wünschet ihr euch?"

Nur wenige Worte wechselte Philemon mit seinem Weibe, dann sprach er: "Eure Priester möchten wir sein! Vergönnet uns, jenes Tempels zu pflegen. Und weil wir so lange in Eintracht miteinander gelebt haben, o so lasset uns beide in einer Stunde dahinsterben; dann schau ich niemals das Grab des lieben Weibes, noch muß mich jene bestatten." Ihr Wunsch ward erfüllt. Sie hüteten beide des Tempels, solange ihnen das Leben gegönnt ward. Und als sie einst, von Alter und Jahren aufgelöst, zusammen vor den heiligen Stufen standen, des wundervollen Geschickes gedenkend, da sah Baucis ihren Philemon und Philemon seine Baucis in grünem Laube verschwinden; schon wuchsen um beider Antlitz schattige Wipfel in die Höhe. "Leb wohl, du Trauter!" "Leb wohl, du Liebe!" so sprachen sie beide wechselnd, solang sie noch zu reden vermochten. So endigte das ehrwürdige Paar; er ward zur Eiche, sie zur Linde, und noch im Tode stehen sie traulich zusammen, wie sie im Leben unzertrennlich waren. Fromme sind den Göttern wert; Ehre wird denen zuteil, die Ehre erweisen.






in einer Ovid - Übersetzung

http://mitglied.lycos.de/elmarsonline/uebersetzungen/ovid/philemon_baucis.htm

Der Fluss schwieg nach diesen Worten. Das wunderbare Ereignis hatte alle bewegt: Der Sohn des Ixion verlacht die, die (daran) glauben, und da er Verächter der Götter und wild in seinem Sinn war, sagte er: "Erdichtetes berichtest du und glaubst, Archelous, die Götter seien allzu mächtig, wenn (du glaubst,) sie nähmen Gestalten an und legten sie (wieder) ab."
Alle entsetzten sich und missbilligten solche Worte, und vor allen (anderen) sprach Lelex, gereift in Sinn und Alter, folgendes (wörtl.: so): "Unermesslich ist die Macht des Himmels und hat keine Grenze, und alles, was die Götter gewollt haben, ist noch immer ausgeführt worden, und damit du weniger zweifelst: Es gibt eine Eiche, benachbart einer Linde, auf den Hügeln Phrygiens, von mittelhoher Mauer umgeben. (622) Ich habe den Ort selbst gesehen: Denn mich sandte Pittheus ins Land (wörtl.: auf den Fluren) des Pelops, das einst von seinem Vater beherrscht wurde. Nicht weit von dort ist ein Teich, ehedem bewohnbares Land, nun (sind) die Wellen bevölkert von Tauchern und Wasserhühnern, die im Sumpf leben.

Hierher kam Iuppiter in Menschengestalt und mit dem Vater der Enkel des Atlas, der Stabträger ohne Flügelschuhe. (628) Tausend Häusern hatten sie sich genähert, um einen Platz zum Ausruhen zu erbitten, tausend Häuser verschlossen ihre Türriegel. Dennoch nahm sie eines auf, ein zwar kleines, (das) mit Strohhalmen und Schilfrohr aus dem Sumpf gedeckt (war), aber die fromme Greisin Baucis und der gleichaltrige Philemon waren in jener Hütte in jugendlichen Jahren vermählt worden, in jener wurden sie gemeinsam alt und machten sich dadurch die Armut leicht, dass sie sie offen eingestanden und gleichmütig ertrugen. (635) Auch kommt es nicht darauf an, ob man dort nach den Herren oder Dienern fragt: Das ganze Hauswesen sind die zwei, die gleichen befehlen und gehorchen.

Sobald also die Himmelsbewohner die kleinen Penaten erreicht hatten und gebückten Hauptes durch die niedrige Tür eingetreten waren, hieß (sie) der Alte die Glieder auf einer: hingestellten Sitzbank ausruhen, über die die geschäftige Baucis ein grobes Gewebe darübergeworfen hatte; (641) und auf dem Herd schob sie die (noch) warme Asche auseinander und weckt das Feuer von gestern und nährt es mit Laub und trockener Rinde, entfacht es mit ihrem altersschwachen Atem zu (hellen) Flammen; kleingespaltenes Kienholz und trockenes Reisig holte sie vom Dachboden herab und zerkleinerte es (noch) und legte es unter (wörtl.: näherte es dem) den kleinen Kessel und entblättert den Kohl, den ihr Mann im bewässerten Garten zusammengesucht hatte; sie hebt mit einer zweizinkigen Gabel das rauchgeschwärzte Rückenstück eines Schweins herunter, das am schwarzen Balken hing, und schneidet vom lang aufbewahrten Rücken ein kleines Stück ab und kocht das Abgeschnittene in wallendem Wasser weich.

(651) Unterdessen verkürzen sie (wörtl.: täuschen sie) (ihnen) die Zwischenzeit mit Gesprächen und schütteln den Polster aus zartem Schilfgras vom Fluss auf, der aufs Bett gelegt war, das ein Gestell und Füße aus Weidenholz hatte (wörtl.: von einem weidenen Gestell und weidenen Füßen). (657) Diesen hüllen sie in Decken, die sie nur zur Festzeit aufzubreiten pflegten. Aber auch diese Decke war billig und alt, über die sich das Bett aus Weidenholz nicht zu entrüsten brauchte. Die Götter legten sich zu Tisch. Aufgeschürzt und zitternd stellt die Alte den Tisch hin, aber der dritte Fuß des Tisches war zu kurz (wörtl.: ungleich); eine Scherbe machte ihn gleich lang; nachdem diese darunter gelegt worden war und die Neigung beseitigt hatte, wischte grüne Minze den gerade gestellten (Tisch) ab. (664) Nun werden die zweifarbige Olive der reinen Minerva aufgetischt und herbstliche Kornelkirschen, die in klarer Hefe eingelegt waren, und Endivien und Rettich und Klumpen geronnener Milch und Eier, die in nicht glühender Asche leicht hin- und hergewendet worden waren, alles (war) in Tongeschirr. Danach werden der ziselierte Mischkrug aus dem gleichen ‚Silber' und Becher aufgetragen, die aus Buchenholz hergestellt und auf der Innenseite mit gelbem Wachs bestrichen sind.

(671) Bald darauf sandte der Herd die heißen Gerichte, und wiederum wird abgetragen der Wein von nicht hohem Alter und macht, etwas beiseite geschoben, Platz für den Nachtisch. Da gibt es eine Nuss, da eine Feige, mit runzeligen Datteln vermischt, Pflaumen und duftende Apfel in offenen Körbchen und Trauben, die von purpurroten Weinstöcken gelesen sind. (677) In der Mitte liegt [wörtl.: ist] eine glänzende Honigwabe; zu alledem kamen freundliche Gesichter dazu und eine diensteifrige und reichliche Willigkeit.
Inzwischen sehen sie, dass sich der so oft ausgeschöpfte Mischkrug von selbst und von sich aus nachfüllt und der Wein nachfließt: Bestürzt von dem noch nie Dagewesenen, haben sie Angst, und mit erhobenen Händen sprechen Baucis und Philemon ängstlich ein Gebet und bitten um Nachsicht wegen des dürftigen Mahles und des Mangels an Ausstattung (wörtl.: wegen keiner Ausstattung).

(684) Eine einzige Gans war da, die Wächterin des winzigen Hauses; die Hausherren wollten sich nun anschicken, diese den göttlichen Gästen zu schlachten. Jene ermüdet mit raschem Flügelschlag (wörtl: schnell mit dem Flügel) die infolge ihres Alters langsamen Leute und hält sie zum besten und schien endlich zu den Göttern selbst Zuflucht zu nehmen. Die Götter verboten, sie zu schlachten, und sagten: "Götter sind wir, und die ruchlose Nachbarschaft wird ihre verdiente Strafe büßen; euch wird vergönnt sein, frei von diesem Unheil zu sein. Verlasst nur euer Haus, (692) begleitet unsere Schritte und geht mit uns (wörtl.: zugleich) auf die Höhe des Berges!" Beide gehorchen, und gestützt auf den Stock (eigentlich Plural), bemühen sie sich, den leicht ansteigenden Hang emporzuklimmen (wörtl.: Schritte zu setzen).

Sie waren so weit vom Gipfel (des Hügels) entfernt, wie ein einmal abgeschossener Pfeil fliegen (wörtl.: gehen) kann: Sie wandten ihre Augen zurück und erblicken vor sich, (wie) alles übrige im Sumpf versunken (ist), (aber) nur ihr Haus stehen blieb. (698) Und während sie darüber staunen, (und) während sie das Unglück der Ihren beweinen, verwandelt sich jene alte Hütte, selbst zu klein für zwei Bewohner, in einen Tempel - an die Stelle der Dachstützen traten Säulen, das Strohdach wird goldgelb -, man sieht ein vergoldetes Dach, ziselierte Türflügel und einen Boden, der mit Marmor bedeckt ist. (703) Dann sprach der Sohn des Saturn solche (Worte) mit gütigem Mund: "Sagt, redlicher Alter, und du, des redlichen Gatten würdige Frau, was ihr wünscht!" Mit Baucis bespricht sich Philemon nur kurz und teilt den Göttern die gemeinsame Entscheidung mit: "Priester zu sein und euren Tempel zu hüten, erbitten wir; und da wir in Eintracht die Jahre verbracht haben, (709) möge uns die gleiche Todesstunde hinwegraffen, damit ich niemals die Grabstätte meiner Gattin sehe, noch von ihrer Hand bestattet werden muss!"

Dem Wunsch folgt die Erfüllung: Sie waren die Hüter des Tempels, solange (ihnen) das Leben gewährt war; als sie, von Jahren und Alter geschwächt, (einmal) zufällig vor den heiligen Stufen standen und das Schicksal des Ortes erzählten, sah Baucis, dass Philemon (von Laub bedeckt war), (und) der alte Philemon, dass Baucis mit Laub bedeckt war. (716) Und als schon über beider Antlitz ein Wipfel wuchs, tauschten/erwiderten sie, solange es möglich war, Worte und sagten zugleich: "Leb wohl, Gemahl!", zugleich bedeckte und verbarg das Geäst ihre Münder. Jetzt noch zeigt der Bewohner Thyniens dort nebeneinander stehende Baumstämme, die aus den beiden Leibern entstanden sind."







Faust II

Fünfter Akt
Offene Gegend


Wandrer
Ja! Sie sind's, die dunkeln Linden,
Dort, in ihres Alters Kraft.
Und ich soll sie wieder finden,
Nach so langer Wanderschaft!
Ist es doch die alte Stelle,
Jene Hütte, die mich barg,
Als die sturmerregte Welle
Mich an jene Dünen warf!
Meine Wirte möcht' ich segnen,
Hilfsbereit, ein wackres Paar;
Das, um heut mir zu begegnen,
Alt schon jener Tage war.
Ach! Das waren fromme Leute!
Poch' ich? Ruf' ich? - Seid gegrüßt,
Wenn gastfreundlich auch noch heute
Ihr des Wohltuns Glück genießt!
Baucis (Mütterchen, sehr alt).
Lieber Kömmling! Leise! Leise!
Ruhe! Lass den Gatten ruhn!
Langer Schlaf verleiht dem Greise
Kurzen Wachens rasches Tun.
Wandrer.
Sage, Mutter: bist du's eben,
Meinen Dank noch zu empfahn,
Was du für des Jünglings Leben
Mit dem Gatten einst getan?
Bist du Baucis, die geschäftig
Halberstorbnen Mund erquickt?

(Der Gatte tritt auf.)
Du Philemon, der so kräftig
Meinen Schatz der Flut entrückt?
Eure Flammen raschen Feuers,
Eures Glöckchens Silberlaut,
Jenes grausen Abenteuers
Lösung war euch anvertraut.
Und nun lasst hervor mich treten,
Schaun das grenzenlose Meer;
Lasst mich knien, lasst mich beten,
Mich bedrängt die Brust so sehr.
(Er schreitet vorwärts auf der Düne.)
Philemon (zu Baucis).
Eile nur, den Tisch zu decken,
Wo's im Gärtchen munter blüht.
Lass ihn rennen, ihn erschrecken,
Denn er glaubt nicht, was er sieht.
(Neben dem Wandrer stehend.)
Das Euch grimmig missgehandelt,
Wog' auf Woge, schäumend wild,
Seht als Garten Ihr behandelt,
Seht ein paradiesisch Bild.
Älter, war ich nicht zuhanden,
Hilfreich nicht wie sonst bereit;
Und wie meine Kräfte schwanden,
War auch schon die Woge weit.
Kluger Herren kühne Knechte
Gruben Gräben, dämmten ein,
Schmälerten des Meeres Rechte,
Herrn an seiner Statt zu sein.
Schaue grünend Wies' an Wiese,
Anger, Garten, Dorf und Wald. -
Komm nun aber und genieße,
Denn die Sonne scheidet bald. -
Dort im Fernsten ziehen Segel,
Suchen nächtlich sichern Port.
Kennen doch ihr Nest die Vögel;
Denn jetzt ist der Hafen dort.
So erblickst du in der Weite
Erst des Meeres blauen Saum,
Rechts und links, in aller Breite,
Dicht gedrängt bewohnten Raum.
(Am Tische zu drei, im Gärtchen.)

Baucis.
Bleibst du stumm? Und keinen Bissen
Bringst du zum verlechzten Mund?
Philemon.
Möcht' er doch vom Wunder wissen;
Sprichst so gerne, tu's ihm kund.
Baucis.
Wohl! Ein Wunder ist's gewesen!
Lässt mich heut noch nicht in Ruh;
Denn es ging das ganze Wesen
Nicht mit rechten Dingen zu.
Philemon.
Kann der Kaiser sich versünd'gen,
Der das Ufer ihm verliehn?
Tät's ein Herold nicht verkünd'gen
Schmetternd im Vorüberziehn?
Nicht entfernt von unsern Dünen
Ward der erste Fuß gefasst,
Zelte, Hütten! - Doch im Grünen
Richtet bald sich ein Palast.
Baucis.
Tags umsonst die Knechte lärmten,
Hack' und Schaufel, Schlag um Schlag;
Wo die Flämmchen nächtig schwärmten,
Stand ein Damm den andern Tag.
Menschenopfer mussten bluten,
Nachts erscholl des Jammers Qual;
Meerab flossen Feuergluten,
Morgens war es ein Kanal.
Gottlos ist er, ihn gelüstet
Unsre Hütte, unser Hain;
Wie er sich als Nachbar brüstet,
Soll man untertänig sein.

Philemon.
Hat er uns doch angeboten
Schönes Gut im neuen Land!
Baucis.
Traue nicht dem Wasserboden,
Halt auf deiner Höhe stand!
Philemon.
Lasst uns zur Kapelle treten,
Letzten Sonnenblick zu schaun!
Lasst uns läuten, knieen, beten
Und dem alten Gott vertraun!
Palast
(Weiter Ziergarten, großer gradgeführter Kanal.)
(Faust im höchsten Alter, wandelnd, nachdenkend.)
Lynkeus der Türmer (durchs Sprachrohr).
Die Sonne sinkt, die letzten Schiffe,
Sie ziehen munter hafenein.
Ein großer Kahn ist im Begriffe,
Auf dem Kanale hier zu sein.
Die bunten Wimpel wehen fröhlich,
Die starren Masten stehn bereit;
In dir preist sich der Bootsmann selig,
Dich grüßt das Glück zur höchsten Zeit.
(Das Glöckchen läutet auf der Düne.)
Faust (auffahrend).
Verdammtes Läuten! Allzu schändlich
Verwundet's, wie ein tückischer Schuss;
Vor Augen ist mein Reich unendlich,
Im Rücken neckt mich der Verdruss,
Erinnert mich durch neidische Laute:
Mein Hochbesitz, er ist nicht rein,
Der Lindenraum, die braune Baute,
Das morsche Kirchlein ist nicht mein.
Und wünscht' ich, dort mich zu erholen,
Vor fremdem Schatten schaudert mir,
Ist Dorn den Augen, Dorn den Sohlen;
O! Wär' ich weit hinweg von hier!

Türmer (wie oben).
Wie segelt froh der bunte Kahn
Mit frischem Abendwind heran!
Wie türmt sich sein behender Lauf
In Kisten, Kasten, Säcken auf!
(Prächtiger Kahn, reich und bunt beladen mit Erzeugnissen fremder Weltgegenden.)
(Mephistopheles. Die drei gewaltigen Gesellen.)
Chorus.
Da landen wir,
Da sind wir schon.
Glückan dem Herren,
Dem Patron!
(Sie steigen aus, die Güter werden ans Land geschafft.)
Mephistopheles.
So haben wir uns wohl erprobt,
Vergnügt, wenn der Patron es lobt.
Nur mit zwei Schiffen ging es fort,
Mit zwanzig sind wir nun im Port.
Was große Dinge wir getan,
Das sieht man unsrer Ladung an.
Das freie Meer befreit den Geist,
Wer weiß da, was Besinnen heißt!
Da fördert nur ein rascher Griff,
Man fängt den Fisch, man fängt ein Schiff,
Und ist man erst der Herr zu drei,
Dann hakelt man das vierte bei;
Da geht es denn dem fünften schlecht,
Man hat Gewalt, so hat man Recht.
Man fragt ums Was, und nicht ums Wie.
Ich müsste keine Schiffahrt kennen:
Krieg, Handel und Piraterie,
Dreieinig sind sie, nicht zu trennen.
Die drei gewaltigen Gesellen.
Nicht Dank und Gruß!
Nicht Gruß und Dank!
Als brächten wir
Dem Herrn Gestank.
Er macht ein
Widerlich Gesicht;
Das Königsgut
Gefällt ihm nicht.

Mephistopheles.
Erwartet weiter
Keinen Lohn!
Nahmt ihr doch
Euren Teil davon.
Die Gesellen.
Das ist nur für
Die Langeweil';
Wir alle fordern
Gleichen Teil.
Mephistopheles.
Erst ordnet oben
Saal an Saal
Die Kostbarkeiten
Allzumal!
Und tritt er zu
Der reichen Schau,
Berechnet er alles
Mehr genau,
Er sich gewiss
Nicht lumpen lässt

Und gibt der Flotte
Fest nach Fest.
Die bunten Vögel kommen morgen,
Für die werd' ich zum Besten sorgen.
(Die Ladung wird weggeschafft.)

Mephistopheles (zu Faust).
Mit ernster Stirn, mit düstrem Blick
Vernimmst du dein erhaben Glück.
Die hohe Weisheit wird gekrönt,
Das Ufer ist dem Meer versöhnt;
Vom Ufer nimmt zu rascher Bahn,
Das Meer die Schiffe willig an;
So sprich, dass hier, hier vom Palast
Dein Arm die ganze Welt umfasst.
Von dieser Stelle ging es aus,
Hier stand das erste Bretterhaus;
Ein Gräbchen ward hinabgeritzt,
Wo jetzt das Ruder emsig spritzt.
Dein hoher Sinn, der Deinen Fleiß
Erwarb des Meers, der Erde Preis.
Von hier aus -
Faust.
Das verfluchte Hier!
Das eben, leidig lastet's mir.
Dir Vielgewandtem muss ich's sagen,
Mir gibt's im Herzen Stich um Stich,
Mir ist's unmöglich zu ertragen!
Und wie ich's sage, schäm' ich mich.
Die Alten droben sollten weichen,

Die Linden wünscht' ich mir zum Sitz,
Die wenig Bäume, nicht mein eigen,
Verderben mir den Weltbesitz.
Dort wollt' ich, weit umherzuschauen,
Von Ast zu Ast Gerüste bauen,
Dem Blick eröffnen weite Bahn,
Zu sehn, was alles ich getan,
Zu überschaun mit einem Blick
Des Menschengeistes Meisterstück,
Betätigend mit klugem Sinn
Der Völker breiten Wohngewinn.
So sind am härtsten wir gequält,
Im Reichtum fühlend, was uns fehlt.
Des Glöckchens Klang, der Linden Duft
Umfängt mich wie in Kirch' und Gruft.
Des allgewaltigen Willens Kür
Bricht sich an diesem Sande hier.
Wie schaff' ich mir es vom Gemüte!
Das Glöcklein läutet, und ich wüte.

Mephistopheles.
Natürlich! Dass ein Hauptverdruss
Das Leben dir vergällen muss!
Wer leugnet's! Jedem edlen Ohr
Kommt das Geklingel widrig vor.
Und das verfluchte Bim-Baum-Bimmel,
Umnebelnd heitern Abendhimmel,
Mischt sich in jegliches Begebnis,
Vom ersten Bad bis zum Begräbnis,
Als wäre zwischen Bim und Baum
Das Leben ein verschollner Traum.

Faust.
Das Widerstehn, der Eigensinn
Verkümmern herrlichsten Gewinn,
Dass man, zu tiefer, grimmiger Pein,
Ermüden muss, gerecht zu sein.
Mephistopheles.
Was willst du dich denn hier genieren?
Musst du nicht längst kolonisieren?
Faust.
So geht und schafft sie mir zur Seite! -
Das schöne Gütchen kennst du ja,
Das ich den Alten ausersah.
Mephistopheles.
Man trägt sie fort und setzt sie nieder,
Eh' man sich umsieht, stehn sie wieder;
Nach überstandener Gewalt
Versöhnt ein schöner Aufenthalt.
(Er pfeift gellend.)
(Die Drei treten auf.)

Mephistopheles.
Kommt, wie der Herr gebieten lässt!
Und morgen gibt's ein Flottenfest.
Die Drei.
Der alte Herr empfing uns schlecht,
Ein flottes Fest ist uns zu Recht.
Mephistopheles (ad Spectatores).
Auch hier geschieht, was längst geschah,
Denn Naboths Weinberg war schon da. (Regum I, 21.)

Tiefe Nacht
Lynkeus der Türmer (auf der Schlosswarte singend).
Zum Sehen geboren,
Zum Schauen bestellt,
Dem Turme geschworen,
Gefällt mir die Welt.
Ich blick' in die Ferne,
Ich seh' in der Näh'
Den Mond und die Sterne,
Den Wald und das Reh.
So seh ich in allen
Die ewige Zier,
Und wie mir's gefallen,
Gefall' ich auch mir.
Ihr glücklichen Augen,
Was je ihr gesehn,
Es sei, wie es wolle,
Es war doch so schön! (Pause.)
Nicht allein mich zu ergötzen,
Bin ich hier so hoch gestellt;
Welch ein gräuliches Entsetzen
Droht mir aus der finstern Welt!
Funkenblicke seh' ich sprühen
Durch der Linden Doppelnacht;
Immer stärker wühlt ein Glühen,
Von der Zugluft angefacht.
Ach! Die innre Hütte lodert,
Die bemoost und feucht gestanden;
Schnelle Hilfe wird gefordert,
Keine Rettung ist vorhanden.
Ach! Die guten alten Leute,
Sonst so sorglich um das Feuer,
Werden sie dem Qualm zur Beute!
Welch ein schrecklich Abenteuer!
Flamme flammet, rot in Gluten
Steht das schwarze Moosgestelle;
Retteten sich nur die Guten
Aus der wildentbrannten Hölle!
Züngelnd lichte Blitze steigen
Zwischen Blättern, zwischen Zweigen;
Äste dürr, die flackernd brennen,
Glühen schnell und stürzen ein.
Sollt ihr Augen dies erkennen!

Muss ich so weitsichtig sein!
Das Kapellchen bricht zusammen
Von der Äste Sturz und Last.
Schlängelnd sind mit spitzen Flammen
Schon die Gipfel angefasst.
Bis zur Wurzel glühn die hohlen
Stämme, purpurrot im Glühn. -
(Lange Pause, Gesang.)
Was sich sonst dem Blick empfohlen,
Mit Jahrhunderten ist hin.

Faust (auf dem Balkon, gegen die Dünen).
Von oben welch ein singend Wimmern?
Das Wort ist hier, der Ton zu spät.
Mein Türmer jammert; mich, im Innern,
Verdrießt die ungeduld'ge Tat.
Doch sei der Lindenwuchs vernichtet
Zu halbverkohlter Stämme Graun,
Ein Luginsland ist bald errichtet,
Um ins Unendliche zu schaun.
Da seh' ich auch die neue Wohnung,
Die jenes alte Paar umschließt,
Das, im Gefühl großmütiger Schonung
Der späten Tage froh genießt.
Mephistopheles und die Dreie (unten).
Da kommen wir mit vollem Trab;
Verzeiht, es ging nicht gütlich ab.
Wir klopften an, wir pochten an,
Und immer ward nicht aufgetan;
Wir rüttelten, wir pochten fort,
Da lag die morsche Türe dort;
Wir riefen laut und drohten schwer,
Allein wir fanden kein Gehör.
Und wie's in solchem Fall geschicht,
Sie hörten nicht, sie wollten nicht;
Wir aber haben nicht gesäumt,
Behende dir sie weggeräumt.
Das Paar hat sich nicht viel gequält,
Vor Schrecken fielen sie entseelt.
Ein Fremder, der sich dort versteckt
Und fechten wollte, ward gestreckt.
In wilden Kampfes kurzer Zeit
Von Kohlen, rings umher gestreut,
Entflammte Stroh. Nun lodert's frei
Als Scheiterhaufen dieser drei.
Faust.
Ward ihr für meine Worte taub!
Tausch wollt' ich, wollte keinen Raub.
Dem unbesonnenen wilden Streich,
Ihm fluch' ich; teilt es unter euch!
Chorus.
Das alte Wort, das Wort erschallt:
Gehorche willig der Gewalt!
Und bist du kühn und hältst du Stich,
So wage Haus und Hof und - dich. (Ab.)
Faust (auf dem Balkon).
Die Sterne bergen Blick und Schein,
Das Feuer sinkt und lodert klein;

Ein Schauerwindchen fächelt's an,
Bringt Rauch und Dunst zu mir heran.
Geboten schnell, zu schnell getan! -
Was schwebet schattenhaft heran?





Quelle:

"Die schönsten Sagen des klassischen Altertums"
in zwei Bänden

Gustav Schwab

Mit einem Nachwort von Manfred Lemmer, der auch die Zusammenstellung der Auskünfte besorgte, und einem Porträt Gustav Schwabs nach einem Stich von C. Barth
Register: Ortrun Hartmann
© 1965 Insel-Verlag Anton Kippenberg, Leipzig (Nachwort und Register)
© 1987 Gustav Kiepenheuer Verlag Leipzig und Weimar (für diese Ausgabe)

ISBN Sammel-Nr. 3-378-00033-3
ISBN 3-378-00034-1
(Bd. 2, ISBN 3-378-00036-8)

Erste Auflage
Lizenz Nr.396/265/60/87 LSV 7108
Gesaintherstellung: Karl-Marx-Werk Pößneck V 15/30
Schrift: Bodoni-Antiqua
Reihengestaltung: Angelika Kuhrt
Typographie, Einband, Vorsatz: Lore Jacobi
Printed in the German Democratic Republic
Bestell-Nr. 812 094 1
02500 (1/11)