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Die Waffen nieder...
Archivtext - Februar -März 2003
... so heißt die Forderung Berta von Suttners. Wir meinen es ist höchste Zeit, alle Friedenswilligen zu unterstützen, wo und wie es nur geht.
Gerade auch wir hier in Dresden, stehen in der Pflicht alles zu tun, um diesen Kriegstreibern in den Arm zu fallen und so die Welt für unsere Kinder zu bewahren. Das wir diese Welt nur von unseren Kindern geborgt haben, muß uns endlich klar werden! Das unsere Kinder schon längst etwas tun für diese Welt, auch! Robert, vielen Dank an dich und deine Freunde!
Diese nachstehenden Zeilen, habe ich vor einiger Zeit von meinem Sohn geschenkt bekommen und sehe in ihnen eine Bestätigung unseres Handelns. Gerade im Angesicht von Geltungswahn, Großmachtstreben und mangelnder Handlungskompetenz einzelner Regierungen, müssen jetzt und sofort und auch mit Hilfe dieser Zeilen noch viel, viel mehr Menschen aufgerüttelt und ermuntert werden, um einen sicheren Frieden zu erkämpfen.
Jens Zappe
DANN GIBT ES NUR EINS!
(Wolfgang Borchert, 1947)
Du. Mann an der Maschine und Mann in der Werkstatt. Wenn sie dir
morgen befehlen, du sollst keine Wasserrohre und keine Kochtöpfe mehr
machen - sondern Stahlhelme und Maschinengewehre, dann gibt es nur
eins:
Sag NEIN!
Du. Mädchen hinterm Ladentisch und Mädchen im Büro. Wenn sie dir
morgen befehlen, du sollst Granaten füllen und Zielfernrohre für
Scharfschützengewehre montieren, dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!
Du. Besitzer der Fabrik. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst
statt Puder und Kakao Schießpulver verkaufen, dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!
Du. Forscher im Laboratorium. Wenn sie Dir morgen befehlen, du sollst
einen neuen Tod erfinden gegen das alte Leben, dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!
D u. Dichter in deiner Stube. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst
keine Liebeslieder, du sollst Hasslieder singen, dann gibt es nur
eins:
Sag NEIN!
Du. Arzt am Krankenbett. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst die
Männer kriegstauglich schreiben, dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!
Du. Pfarrer auf der Kanzel. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst
den Mord segnen und den Krieg heilig sprechen, dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!
Du. Kapitän auf dem Dampfer. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst
keinen Weizen mehr fahren - sondern Kanonen und Panzer, dann gibt es
nur eins:
Sag NEIN!
Du. Pilot auf dem Flugfeld. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst
Bomben und Phosphor über die Städte tragen, dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!
Du. Schneider auf deinem Brett. Wenn sie dir morgen befehlen, du
sollst Uniformen zuschneiden, dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!
Du. Richter im Talar. Wenn sie dir morgen befehlen, Du sollst zum
Kriegsgericht gehen, dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!
Du. Mann auf dem Bahnhof. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst das
Signal zur Abfahrt geben für den Munitionszug und für den
Truppentransporter, dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!
Du. Mann auf dem Dorf und Mann in der Stadt. Wenn sie morgen kommen
und dir den Gestellungsbefehl bringen, dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!
Du. Mutter in der Normandie und Mutter in der Ukraine, du, Mutter in
Frisko und London, du am Hoangho und am Missisippi, du, Mutter in
Neapel und Hamburg und Kairo und Oslo - Mütter in allen Erdteilen,
Mütter in der Welt, wenn sie morgen befehlen, ihr sollt Kinder
gebären, Krankenschwestern für Kriegslazarette und neue Soldaten für
neue Schlachten, Mütter in der Welt, dann gibt es nur eins:
Sagt NEIN! Mütter, sagt NEIN!
Denn wenn ihr nicht NEIN sagt, wenn IHR nicht nein sagt, Mütter, dann:
dann:
In den lärmenden dampfdunstigen Hafenstädten werden die großen
Schiffe stöhnend verstummen und wie titanische Mammutkadaver
wasserleichig träge gegen die toten vereinsamten Kaimauern schwanken,
algen-, tang- und muschelüberwest, den früher so schimmernden
dröhnenden Leib, friedhöflich fischfaulig duftend, mürbe, siech,
gestorben -
die Straßenbahnen werden wie sinnlose glanzlose glasäugige Käfige
blöde verbeult und abgeblättert neben den verwirrten Stahlskeletten
der Drähte und Gleise liegen, hinter morschen dachdurchlöcherten
Schuppen, in verlorenen kraterzerrissenen Straßen -
eine schlammgraue dickbreiige bleierne Stille wird sich heranwälzen,
gefräßig, wachsend, wird anwachsen in den Schulen und Universitäten
und Schauspielhäusern, auf Sport- und Kinderspielplätzen, grausig und
gierig unaufhaltsam -
der sonnige saftige Wein wird an den verfallenen Hängen verfaulen,
der Reis wird in der verdorrten Erde vertrocknen, die Kartoffel wird
auf den brachliegenden Äckern erfrieren und die Kühe werden ihre
totsteifen Beine wie umgekippte Melkschemel in den Himmel strecken -
in den Instituten werden die genialen Erfindungen der großen Ärzte
sauer werden, verrotten, pilzig verschimmeln -
in den Küchen, Kammern und Kellern, in den Kühlhäusern und Speichern
werden die letzten Säcke Mehl, die letzten Gläser Erdbeeren, Kürbis
und Kirschsaft verkommen - das Brot unter den umgestürzten Tischen
und auf zersplitterten Tellern wird grün werden und die ausgelaufene
Butter wird stinken wie Schmierseife, das Korn auf den Feldern wird
neben verrosteten Pflügen hingesunken sein wie ein erschlagenes Heer
und die qualmenden Ziegelschornsteine, die Essen und die Schlote der
stampfenden Fabriken werden, vom ewigen Gras zugedeckt, zerbröckeln -
zerbröckeln - zerbröckeln -
dann wird der letzte Mensch, mit zerfetzten Gedärmen und verpesteter
Lunge, antwortlos und einsam unter der giftig glühenden Sonne und
unter wankenden Gestirnen umherirren, einsam zwischen den
unübersehbaren Massengräbern und den kalten Götzen der gigantischen
betonklotzigen verödeten Städte, der letzte Mensch, dürr, wahnsinnig,
lästernd, klagend - und seine furchtbare Klage:
WARUM? wird ungehört in der Steppe verrinnen, durch die geborstenen
Ruinen wehen, versickern im Schutt der Kirchen, gegen Hochbunker
klatschen, in Blutlachen fallen, ungehört, antwortlos, letzter
Tierschrei des letzten Tieres Mensch -
all dieses wird eintreffen, morgen, morgen vielleicht, vielleicht
heute nacht schon, vielleicht heute nacht, wenn -- wenn -- wenn ihr
nicht
NEIN sagt.
Quelle:
Wolfgang Borchert
"Das Gesamtwerk"
im Rowohlt - Verlag,
Reinbek 1986,
ISBN 3-498-09027-5 |
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