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Taschenbuchsonderausgabe
Piper Verlag GmbH, München
Oktober 2002
© 1996 Eichborn AG, Frankfurt am Main
Umschlag/Bildredaktion: Büro Hamburg
Isabel Bünermann, Julia Martinez/
Charlotte Wippermann, Katharina Oesten
Foto Umschlagvorderseite: Guido Schmidtke
Fotos Umschlagrückseite: Peter Peitsch (Walter Krämer),
Eichborn Verlag (Götz Trenkler)
Gesamtherstellung: Clausen & Bosse, Leck
Printed in Germany ISBN 3-492-23793-2
www.piper.de
"Lexikon der populären Irrtümer"
Walter Krämer
Götz Trenkler
Arbeitgeberbeitrag
Den Arbeitgeberbeitrag zahlt der Arbeitgeber (s.a. »Selbstbeteiligung «) Keinen Pfennig des Arbeitgeberbeitrags zahlt der Arbeitgeber. Den Arbeitgeberbeitrag zahlt der Arbeitnehmer, genauso wie der Arbeitnehmer seine Steuern, Mieten, Zinsen, Hypotheken zahlt; die nach deutschem Sozialrecht zur Hälfte von den Arbeitgebern zu tragenden Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherungsbeiträge ihrer Beschäftigten sind ein reiner Taschenspielertrick.
Rein wirtschaftlich gesehen gehören alle Aufwendungen des Arbeitgebers für einen Beschäftigten zu dessen Bruttolohn, unabhängig davon, wie sie heißen, ob Urlaubs- oder Weihnachtsgeld, ob Werkswohnung oder Dienstwagen, ob Zuschüsse zum Mittagessen oder Beiträge zu Versicherungen aller Art: Alle Auslagen, die dem Arbeitgeber für einen Beschäftigten entstehen, zählen zu dessen Lohn oder Gehalt. Punkt.
Diese Arbeitskosten betrugen etwa 1993 durchschnittlich 4900 Mark im Monat (verglichen mit 1350 Mark im Monat noch 1970). Aber von diesen 4900 Mark im Monat kamen nur 54 Prozent oder 2646 Mark bei den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen wirklich an. Der Rest ging an das Finanzamt (15 Prozent) oder an die Sozialversicherung (31 Prozent), und damit haben wir auch schon einen der Gründe für die Popularität des Arbeitgeberbeitrag-Mythos gefunden: Wir merken nicht, wie man uns schröpft.
Je mehr von unserem Gehalt und Lohn als sogenannter »Arbeitgeberanteil « nicht von uns, sondern von anderen getragen wird, desto unbelasteter gehen wir scheinbar durchs Leben, desto mehr scheinen wir von unserem Verdienst für uns selbst zu behalten. Das ist aber eine Illusion. Dem Arbeitgeber ist es nämlich im Prinzip gleichgültig, wo die 4900 Mark für seinen Arbeitnehmer letztlich landen; ob 10, 20 oder 30 Prozent an das Finanzamt fließen, ist für ihn oder sie genauso unerheblich wie der Anteil für die Sozialversicherung oder wie man diesen Anteil nennt. Ob davon die Hälfte oder alles oder gar nichts »Arbeitgeberanteil« heißt, spielt für den Arbeitgeber keine Rolle. Für ihn gilt: Kosten = Bruttolohn, diese Gleichung ist das einzige, was ökonomisch zählt. Wie man diese Kosten nennt, spielt keine Rolle.
Die ganze Absurdität des sogenannten »Arbeitgeberbeitrags« wird vielleicht am besten deutlich, wenn wir einmal unterstellen, daß alle Sozialversicherungsabgaben »Arbeitgeberanteil« hießen. Dann wäre - Hokuspokus Fidibus - die Sozialversicherung umsonst! Denn nach herkömmlicher Sicht hätten wir jetzt einen Arbeitnehmeranteil von 0 Prozent! Aber in Wahrheit bleibt natürlich alles, wie es vorher war. Alles, was von unserem Lohn oder unserem Gehalt abfließt, ist und bleibt zu 100 Prozent unser eigener Arbeitnehmeranteil, ganz egal, wie man ihn nennt.
Literatur Walter Krämer: »Babylonische Sprachverwirrung«, Arbeits- und Sozialpolitik
42, 9/1988, S. 290ff.; »Bald nur noch die Hälfte«, Informationsdienst des Instituts der Deutschen
Wirtschaft, 22. 7. 1993.
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