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Botanik der Rosen — Rangstufen, Klassifikationen, Morphologie und mehr


Die Botanik der Rosen ist nach unserer Ansicht die Grundlage für das Verständnis aller ihrer inneren Zusammenhänge. Deshalb soll dieser Thematik auch ein wesentlich speziellerer und umfangreicherer Raum gewidmet werden.

Wir haben uns nach vielen Überlegungen entschieden, nachfolgendes Kapitel direkt von Herrn Dr. Haenchen zu übernehmen, denn einen besseren und verständlicheren Überblick können wir mit eigenen Worten kaum anbieten.
Wir möchten uns an dieser Stelle, recht herzlich bei Herrn Dr. Eckart Haenchen bedanken.


So wie in allen anderen Bereichen hat der Mensch auch im Pflanzenreich versucht, System und Ordnung einzuführen, um einen besseren Überblick zu haben. Seit LINNE gilt zur Kennzeichnung der Pflanzenarten die sogenannte binäre Nomenklatur, d. h., jede Pflanzenart wird durch zwei Namen gekennzeichnet. Ähnlich wie bei den Menschen gibt es sozusagen Vornamen und Familiennamen, nur daß hier der "Vorname" erst an zweiter Stelle erscheint und nicht das Individuum, sondern die Art näher bezeichnet; er wird deshalb Artname oder spezifisches Epitheton genannt. An erster Stelle steht die Gattungsbezeichnung. So finden wir bei allen Rosen als Gattungsbezeichnung Rosa und als spezifisches Epitheton canina, multiflora, rugosa usw.

Wie viele Rosenarten es gibt - nicht zu verwechseln mit Sorten - ist schwer zu entscheiden, da in jedem Buch eine andere Zahl angegeben wird. Das liegt daran, daß die Unterschiede häufig sehr gering sind, und man sich nicht einig ist, ob eine Art oder vielleicht nur eine Varietät vorliegt. Außerdem treten viele natürliche Hybriden auf, die die Entscheidung noch mehr erschweren. Die Anzahl der Rosenarten beträgt jedoch mehr als 100, bis etwa 200.
Im botanischen System werden verwandte Gattungen zu Pflanzenfamilien zusammengefaßt. So bilden die Rosen mit einer Vielzahl anderer Gattungen die große Familie Rosaceae, die über 2000 verschiedene Arten umfaßt.

In der Verwandtschaft der Rose befindet sich eine Vielzahl recht prominenter Arten, die jedem bekannt sind und teils auch eine große Bedeutung haben. So zählen zu den Rosaceae vor allem die wichtigsten Obstarten, wie Apfel, Birne, Kirsche, Pflaume, Pfirsich und Aprikose, aber auch vom Beerenobst beispielsweise Erdbeere, Himbeere, Brombeere. Ebenso finden wir im Bereich der Ziergehölze zahlreiche bekannte Namen wie Spiraea (Spierstrauch), Cotoneaster (Zwergmispel), Chaenomeles (Zierquitte), Pyracantha (Feuerdorn), Crataegus (Weißdorn) oder Sorbus (Eberesche).
Diese Beispiele zeigen, wie vielseitig und umfangreich die Familie der Rosaceen ist und wie viele Pflanzen mit unserer Rose nahe verwandt sind.

Die Gattung Rosa hat schon eine ausgesprochen lange Entwicklungszeit hinter sich. Eine ganze Anzahl von Funden beweist, daß es Rosen schon seit rund 25 Millionen Jahren auf der Erde gibt. Diese Zeit gehört noch zum Tertiär. Während dieser Epoche wurden die großen Braunkohlelager gebildet. Die ersten gehäuften Nachweise der Rosen fallen in dieser Zeit in das Jungtertiär, genauer das Pliozän. Es gibt aber auch wahrscheinliche Reste von Rosen, die in Alaska gefunden wurden, die aus dem älteren Tertiär, dem Eozän, stammen.

Heute sind Rosenarten vorwiegend in den gemäßigten bis subtropischen Klimazonen der nördlichen Halbkugel zu finden. Nur wenigen wird bewußt sein, daß bei uns nicht nur Rosa canina, die Hundsrose, wild vorkommt. Einer ganzen Anzahl Arten können wir auf Wanderungen durch unsere Heimat begegnen. Die folgende Aufstellung gibt Aufschluß über die Arten und ihr Vorkommen
(nach ROTHMALER).

Rosa agrestis Savi, Acker-Rose
Rosa arvensis Huds., Kriechende Rose
Rosa blanda Ait., Labrador-Rose
Rosa caesia Sm. ex Sow., Lederblättrige Rose
Rosa canina L., Hunds-Rose
Rosa corymbifera Borkh., Hecken-Rose
Rosa dumalis Bechst., Graugrüne Rose
Rosa elliptica Tausch, Elliptische Rose
Rosa gallica L., Essigrose
Rosa glauca Pourr., Rotblättrige Rose
Rosa jundztilii Besser, Rauhblättrige Rose
Rosa lucida Ehrh., Spiegel-Rose
Rosa majalis Herrm., Mai-Rose, Zimt-Rose
Rosa micrantha Borrerex Sm. in Sow., Kleinblütige Rose
Rosa obtusifolia Desv., Stumpfblättrige Rose
Rosa pendulina L., Alpen-Hecken-Rose
Rosa pimpinellifolia L., Pimpinell-Rose
Rosa rubiginosa L., Wein-Rose
Rosa scabriuscula Sm. em. H.Braun, Kratz-Rose
Rosa sherardii H. Davies, Sherards-Rose
Rosa tomentosa Sm. , Filzrose
Rosa turbinata Ait., Frankfurter Rose




Neben diesen Arten kommen nicht selten auch noch andere vor, die angepflanzt wurden und später verwilderten.
Wie jede Blüte der höheren Pflanzen ist auch die der Rosen so aufgebaut, daß sie die Bestandteile Kelchblätter, Blütenblätter, Staubblätter und Fruchtblätter besitzt. Bei den einfachblühenden Wildarten ist die für Rosen typische Fünfzähligkeit noch gut zu erkennen. Allein Rosa sericea pteracantha mit nur vier Blüten- und Kelchblättern bildet eine Ausnahme.

Bei Kultursorten mit zum Teil starker Füllung ist eine Vielzahl von fünf Blütenblättern meist kaum noch zu zählen, vor allem weil sich meist in der Mitte noch eine ganze Anzahl nicht voll ausgebildeter Blütenblätter befindet. Ab und zu kann man sogar den Übergang von Blütenblatt zu Staubblatt finden. Solche Blätter sind meist als Blütenblätter ausgebildet und haben an einem Rand ein, meist allerdings mißgebildetes Staubgefäß.
Sieht man sich die Kelchblätter einmal genauer an, die anfangs die Knospe schützen und während der Blütezeit meist mehr oder weniger nach unten gebogen sind, so fällt auf, daß sie unterschiedlich ausgebildet sind. Zu dieser Besonderheit gibt es schon sehr lange einen lateinischen Vers:

"Quinque sumus fratres, et eodem tempore nati. Sunt duo barbati. Duo sunt sine barba creati. Unus et e quinque non est barbatus utrinque."

Sinngemäß übersetzt, werden die fünf Kelchblätter mit fünf Brüdern verglichen, von denen zwei einen Bart haben, zwei ohne Bart geboren wurden, und einer hat nur einseitig einen Bart. Und tatsächlich kann man sich praktisch jede Rosenblüte hernehmen und die Kelchblätter betrachten: Zwei sind am Rande ganz glatt, zwei Kelchblätter haben auf jeder Seite kleine Auswüchse, also einen Bart, und das fünfte Blatt weist nur auf einer Seite dieses Merkmal auf.
Die Blätter sind unpaarig gefiedert, d.h., das Gesamtblatt setzt sich aus einer ungeraden Zahl einzelner Fieder zusammen; beiden Gartensorten sind es meist 5, sonst finden wir 7, 9 und mehr Fiederblätter. Die Blätter stehen am Trieb in sogenannter 2/5 Stellung. Jedes Blatt ist gegenüber dem vorangegangenen um 2/5 Drehung oder 144° versetzt.

Auch mit der Hagebutte hat es seine eigene Bewandtnis. Wohl jeder wird behaupten, daß die Hagebutte die Frucht der Rose ist. Und trotzdem stimmt das so nicht. Botanisch gesehen ist die Hagebutte eine Scheinfrucht. Bereits während der Blüte ist bei den meisten Sorten und Arten unter den Kelchblättern deutlich eine Verdickung der Blütenachse, die oft schon einer kleinen Hagebutte ähnlich sieht, zu sehen. Nach dem Verblühen verdickt sich diese und wird fleischig. Der eigentliche Blütenboden ist krugförmig eingesenkt und schließt die eigentlichen Rosenfrüchte, die Nüßchen, in sich ein. Nicht die Hagebutte, sondern die darin enthaltenen Samenkörner sind also die Früchte der Rose.

Nun gibt es aber noch mehr Irrtümer beider Rose. Schon in GOETHES Heidenröslein muß der wilde Knabe, der das Röslein brechen will, spüren, wie sich das Röslein wehrt und sticht. Das bekannte geflügelte Wort "Keine Rose ohne Dornen" ist aber trotzdem falsch, weil die Rose gar keine Dornen hat. Dornen sind nämlich umgebildete Sprosse oder Blätter, wie wir sie von Weißdorn, Schlehe oder der Berberitze kennen. Die unangenehm spitzen Gebilde der Rosen, an denen man sich erheblich verletzen kann, sind dagegen Stacheln. Im Gegensatz zu den Dornen sind die Stacheln Pflanzenteile, die nur aus den äußersten Gewebeschichten, d.h. der Rinde, gebildet werden. Aus diesem Grunde lassen sie sich im Gegensatz zu den Dornen auch relativ leicht abbrechen und das, ohne tiefe Gewebeschichten zu verletzen. Insofern ist auch der häufig geäußerte Wunsch nach Rosensorten ohne Dornen als erfüllt zu betrachten, da keine Rose Domen, sondern "nur" Stacheln hat.

Es lohnt sich, über mögliches Alter und Größe der Rosen einmal nachzudenken. So soll Rosa gigantea in ihrer Heimat in China bis zu 30 m hoch werden können. Als größte bekannte Rosenpflanze wird eine im Jahre 1885 gepflanzte 'Lady Banksia' in den USA genannt, für die ein Stammumfang von etwa 1,5m angegeben wird. Sie soll eine Fläche von mehr als 550 qm überdecken. Vom Alter her sei an den "Tausendjährigen Rosenstock" in Hildesheim (BRD) erinnert. Auch wenn sich das genaue Alter hier nicht rekonstruieren läßt und 1000 Jahre wahrscheinlich nicht erreicht werden, ist doch sicher, daß diese Pflanze mehrere hundert Jahre alt ist.

Noch eine ganz besondere Eigenart, die allerdings nicht mit bloßem Auge zu beobachten ist, findet man bei Rosa canina. Lange Zeit hat die Wissenschaft die Frage bewegt, warum die aus Samen aufgehenden Pflanzen in auffallend großer Gleichmäßigkeit der Mutterpflanze ähneln, auch wenn das Saatgut aus gemischten Beständen stammt. Lange Zeit versuchte man, diese Erscheinung damit zu erklären, daß bei den Rosen Apomixis auftrete. Darunter ist die Tatsache zu verstehen, daß manche Pflanzen in der Lage sind, in den Samenanlagen lebensfähige Embryonen zu bilden, ohne daß eine Befruchtung stattgefunden hat. Da in diesem Falle keine fremden Erbanlagen durch den Pollen übertrafen werden können, wäre die Erklärung der Gleichmäßigkeit der Nachkommen gegeben. Verschiedentlich scheint die Apomixis auch tatsächlich aufzutreten, so bei der Sorte 'Donald Prior' (Prior 1934).

Neuere Forschungen haben jedoch etwas ganz Ungewöhnliches ergeben. Bei der pentaploiden Rosa canina mit einem fünffachen Chromosomensatz von 2 n = 35 bringt der Pollen nur 7 Chromosomen beim Befruchtungsvorgang mit, und von der Eizelle werden 28 Chromosomen beigesteuert. Die Folge ist, daß die Nachkommen, die vier Fünftel der Chromosomen der Mutterpflanze besitzen, dieser weitgehend ähneln. Diese eigenartige Erscheinung, die als Heterogamie bezeichnet wird, ist nur von den Caninae bekannt, und sie konnte natürlich erst mit der Verfeinerung der Forschungsmethoden der Chromosomenbotanik gefrunden werden.
Die Ansichten, ob bei den Rosen Apomixis oder Heterogamie auftreten, wechselten mehrfach. Offensichtlich treten beide Erscheinungen nebeneinander auf.

Zur Erläuterung des Vorangegangenen einige Ausführungen zu den Chromosomen bei Rosen.

Die Grundzahl, auf der sich der Chromosomensatz der Rosen aufbaut, beträgt n = 7, und im Pflanzengewebe finden wir ein Vielfaches von 7. Unsere Gartensorten sind überwiegend tetraploid, sie haben 28 Chromosomen. Es gibt Wildarten mit bis zu achtfachem Chromosomensatz, künstlich entstand als bisher höchste Ploidiestufe ein elffacher Satz mit 77 Chromosomen. Neben dem regelmäßigen Vielfachen von n = 7 tritt aber bei Rosen auch sogenannte Aneuploidie auf, das sind Abweichungen vom normalen Satz, fehlende oder zusätzliche Chromosomen.

Quelle:

"DAS NEUE ROSENBUCH"
Eckart und Fritz Haenchen

Alle Aufnahmen stammen von
Dr. Eckart Haenchen

Eingetragene Warenzeichen sind nicht besonders gekennzeichnet. Daraus kann nicht geschlossen werden, daß solche Bezeichnungen freie Warennamen sind.

4., unveränderte Auflage Alle Rechte vorbehalten
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Veröffentlicht unter Lizenz-Nr. 101-175/120/81
LSV 4345
Lektor: Christine Markraf
Grafische Gestaltung: Waltraud Schramm
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