rosen
 
   
Begegnung mit Rosen


Alma de L´Aigle

"Dieses Buch ist ein völlig neuer Typ unter den Rosenbüchern... Die Beschwingtheit aber ist ständig mit eindringlicher Sachkunde verbunden. ein universaler Geist ist bis in die unscheinbarsten Nachbemerkungen ständig spürbar... Kenner und Nichtkenner kommen aus der Überraschung nicht heraus... Baldige internationale Verbreitung ist für mich eine feste Erwartung."

Karl Foerster in "Die Zeit"



CONRAD FERDINAND MEYER
(Dr. Müller 1899)
Rosa rugosa.
Parkrose


Wie der Dichter, dessen Namen sie trägt, verdient diese Rose viel bekannter zu sein. Nur in wenigen Gärten führt sie noch ein halbvergessenes Dasein. Dabei ist sie eine der schönsten Parkrosen, die wir besitzen, und ist eigentlich jetzt nach mehr als fünfzig Jahren noch nicht überholt. Sie hat aus ihrer rugosa-Natur das Höchste und Edelste gemacht, das überhaupt möglich ist. Alle rugosa-Hybriden gipfeln in dieser Sorte.

Dicke rötliche Triebe - echte rugosa-Triebe -, dicht bestachelt, schießen in jedem Jahr von neuem hervor und bilden dunkelgrünes gesundes Edelrosenlaub. Im nächsten Jahr verzweigen sich diese Triebe zu großen Kronen und bilden einen fülligen Busch, aus dem heraus sich einige dieser viel verzweigten Kronen abwärts senken, so daß der Busch nicht nur Höhe, sondern auch Breite hat, aber das Gerippe des dicken Stammwerks bleibt sichtbar.

Das alles wäre noch keine auffallende Schönheit, wenn nicht dieser kräftige Busch in großer Fülle die schönsten Edelrosenblüten hervorbrächte, voll gefüllt, kugelig gebaut, von einem strahlenden und warmen Rosa. Es ist merkwürdig, wie menschlich dieser Strauch mit seinen Blüten wirkt, als wenn er nicht für sich dahinblühte, sondern auf den niedergebogenen Zweigen, wie auf Händen ruhend, die Blüten dem Menschen darbietet.

Wie groß die einzelnen Blüten sind! Oft stehen sie auf verhältnismäßig langen Stielen. Man könnte glauben, daß hier die etwas schwachwüchsige La France sich einen gewaltigen Körperbau zugelegt hat und auch ihre Blüten, schön wie einst, vergrößert darbietet. Ja, es kommt einem wie ein Wunder vor, daß ein so großer, im Gebüsch wie wild wachsender Rosenstrauch mit so vollendeten edlen riesigen Einzelblüten bedeckt ist. Wie schön legen sich die einzelnen Blütenblätter um und zeigen, genau wie bei der La France, die silbrig-rosige Innenseite. Voll gefüllt ist das Innere und bildet in seiner Üppigkeit zuweilen zwei Wirbel in der Mitte.

Damit diese Rose vollkommen sei, hat sie auch noch einen wirklich schönen kräftigen La-France-Duft. Er strömt einladend, ohne aufdringlich zu sein. Und noch eine Besonderheit: Wenn man über die noch geschlossenen Knospen streicht, so duften die Finger köstlich harzig, ausgespro-chen nach echtem Sandelholzöl. Das kenne ich von keiner anderen Rose; nur der Moosrosenduft ist ähnlich, aber süßer.
Eine weitere Tugend der Rose ist ihre Fähigkeit, still und schön sterben zu können: Nachdem die einzelne Blüte eine geraume Zeit am Strauch gesessen hat, läßt sie sachte ihre Blätter hinabrieseln, und man sieht dann an einem rosa besäten Fleck auf der Erde, daß wieder eine Blüte ihre Fülle verschüttet hat. Manchmal trägt auch der Wind die noch frisch-rosa Blütenblätter weit über den Rasen.

Anschließend an die ganz frühe Frühlingsmorgen mit ihren großen einfachen rosa Blüten be-ginnen die ersten dicken Knospen von Conrad Ferdinand Meyer die Kelchblätter auseinander-zudrängen und langsam die Fülle des Innern herausquellen zu lassen. Den ersten Blüten, eine ganze Zeit vor anderen Rosen, folgen immer wieder neue, bis der ganze Strauch mit der rosig-roten Pracht bedeckt ist. Man meint, nun müsse es bald wieder zu Ende gehen, aber nein, immer und immer wieder erblühen neue voll gefüllte Rosen. Das geht durch lange Wochen hin. Dann zieht sich der große Rosenbusch zunächst zurück, wirkt fast ein wenig struppig, so wie ein Vogel nach seiner Brütezeit. Schon bald sammelt er neue Kräfte, um eine Reihe schönster Ein-zelblüten hervorzubringen; und auch im frühen Herbst noch bringt er einige Nachzügler, wäh-rend die kräftigen Neutriebe schon ein bis zwei Meter hoch emporgeschossen sind und die dicken gelbroten Hagebutten von dem grünen Laub sich leuchtend abheben (falls man sie nicht nach der Blüte entfernt hatte).

Hat denn diese Rose bei all ihren edlen Eigenschaften auch die Robustheit der rugosa-Arten im Winter? Gewöhnlich wird ihre Winterhärte mit minus 15 und minus 18 Grad angegeben; ich habe andere Erfahrungen gemacht, die auch für die Einwinterung im allgemeinen aufschluß-reich sind. Meine freistehenden Büsche Conrad Ferdinand Meyer, sogar in einer Windschleuse stehend, wurden nur angehäufelt. Nackt und kahl, aber offenbar doch genügend ausgereift, gingen alte und neue Triebe in den Winter, und zwar auch in den bösen, der hier 25Grad Kälte brachte. Als der Winter, spät im Frühjahr, wich, trieb Conrad Ferdinand Meyer munter seine Blätter an allen Trieben bis oben hin, kaum fünf Zentimeter der Spitzen waren erfroren.

In Kassel sah ich zu meinem Erstaunen die Büsche von C. F. Meyer ganz heruntergefroren; sie hatten zwar Triebe gemacht, die aber natürlich, weil im ersten Jahr, nicht blühten. Diese Büsche hatten Winterschutz gehabt! Auf den Rosenterrassen jedoch war noch ein Busch C. F. Meyer, unbeschädigt, der im Juni blühte; er war nicht eingewintert gewesen und war nach Süden durch eine Hainbuchenhecke vor der gefährlichen Frühlingssonne geschützt gewesen.


Quelle:

Alma de L´Aigle "Begegnung mit Rosen"
2. Auflage 1977 Verlag Frick, Moos, Bodensee