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Der Freischütz


Carl Maria von Weber
Text von Friedrich Kind

Romantische Oper in drei Akten.


Ort: Böhmen
Zeit: nach dem Dreißigjährigen Krieg
Uraufführung: in Berlin am 18. Juni 1821

Personen: Ottokar, regierender Fürst (Bariton) o Kuno, fürstlicher Erbförster (Bass) o Agathe, seine Tochter (Sopran) Ännchen, eine junge Verwandte (Sopran) o Kaspar, Jägerbursche (Bass) o Max, Jägerbursche (Tenor) o Samiel, der schwarze Jäger (Sprechrolle) o Kilian, ein reicher Bauer (Tenor oder Bariton) o Ein Eremit (Bass) o Vier Brautjungfern, Jäger, Musikanten, Landleute, "die wilde Jagd"

1. Akt: Platz vor einer Waldschenke. Kilian ist Schützenkönig geworden, Max dagegen hat Pech gehabt und wird von der Menge gehänselt. Er ist niedergeschlagen, da er in der letzten Zeit schon oft versagte, und wähnt sich von finsteren Mächten umgarnt. - Erbförster Kuno ermahnt ihn, er solle sich am kommenden Tag beim Probeschießen zusammenraffen, sonst seien Agathe und die Erbförsterei für ihn verloren. Nach alter Sitte muss jeder junge Förster, der in die Erbförsterei einheiraten will, vor dem Fürsten zunächst einen guten Probeschuss tun. - Die Jägerburschen gehen mit ihren Mädchen zum Tanz, Max bleibt verzweifelt zurück. - Kaspar traktiert ihn mit Wein und ermuntert ihn, einmal mit seiner Büchse einen Schuss zu versuchen. Zu seinem Erstaunen trifft Max einen Adler, der in schwindelnder Höhe vorüberfliegt. Kaspar verrät ihm das Geheimnis dieses Meisterschusses: Eine Freikugel war im Lauf der Büchse. Max lässt sich überreden, um Mitternacht mit Kaspar in der Wolfsschlucht Freikugeln zu gießen. Mit ihrer Hilfe hofft er, am kommenden Tage vor dem Fürsten als Meisterschütze zu bestehen und Agathe zu gewinnen.

2. Akt: Im Forsthaus wartet Agathe voll Unruhe auf Max. Ein Ahnenbild ist zu der Stunde, als Max den Probeschuss mit der Freikugel tat, von der Wand gefallen und hat sie an der Stirn verletzt. Ännchen, ihre Gespielin, hängt das Bild wieder auf und versucht, Agathe aufzuheitern. Max kommt niedergedrückt herein und sagt, er habe in der Nähe der Wolfsschlucht einen Hirsch geschossen, den müsse er zur Nacht noch holen. Vergebens suchen die Mädchen ihn vom Gang zu dem schauerlichen Ort zurückzuhalten. - Verwandlung: Die Wolfsschlucht. Kaspar ist für seine Missetaten dem Bösen verfallen. Seine Frist auf Erden ist in Kürze abgelaufen. Er beschwört Samiel, den schwarzen Jäger, erbittet von ihm drei weitere Lebensjahre und verspricht ihm dafür Max' Seele. Samiel ist einverstanden und gewährt ihm noch sieben Freikugeln, aber das Ziel für die siebente Kugel behält er sich vor. Kaspar rät ihm, damit am kommenden Tage das Herz Agathes zu treffen. - Max steigt durch den zerklüfteten Fels in die Schlucht. Die Geister seiner Mutter und Agathes treten ihm warnend entgegen, aber er ist aus Liebe zu Agathe entschlossen, sich um jeden Preis die Freikugeln zu verschaffen. Kaspar begrüßt ihn und beginnt sogleich unter schauerlichen Beschwörungsformeln mit dem Guss. Ein unheimlicher Sturm bricht los, die "wilde Jagd" rast vorüber. Kugel um Kugel entsteht. Bei der siebenten schlagen Flammen aus der Erde, Felsen bersten, die Hölle tut sich auf, Samiel erscheint und zeigt sich dem entsetzten Max. Da kündet ein Glockenschlag die erste Stunde nach Mitternacht. Der Spuk verschwindet.

3. Akt: Von den Freikugeln hat Max vier bekommen. Drei davon hat er bereits verschossen. Er bittet Kaspar, ihm von seinen noch eine zu geben, aber Kaspar verschießt seine Kugeln und sorgt so dafür, dass Max nur noch die siebente Kugel bleibt, deren Ziel Samiel sich vorbehielt. - Verwandlung: Agathe wird mit dem Brautkleid geschmückt. Böse Träume haben sie geängstigt. Um sie aufzuheitern, erzählt Ännchen ihr eine Ballade von Nero, dem Kettenhund. - Die Brautjungfern bringen Agathe den Jungfernkranz. Ännchen will ihn nehmen, doch zu ihrem Schrecken ist es ein Totenkranz. Aus geweihten weißen Rosen, die der greise Eremit Agathe schenkte, windet Ännchen einen neuen Kranz und schmückt damit die Braut. - Verwandlung: Max. soll den Probeschuss abgeben. Als er auf eine weiße Taube anlegt, ruft Agathe: "Schieß nicht! Ich bin die Taube!" Doch Max schießt. Agathe sinkt ohnmächtig zu Boden, Kaspar aber wälzt sich in seinem Blut und stirbt, schauerlich fluchend. - Agathe kommt wieder zu sich, Samiel hat sie nicht treffen können, sie stand unter dem Schutz des Eremiten. - Max gesteht dem Fürsten sein Vergehen. Er soll des Landes verwiesen werden, doch der Eremit und die Menge setzen sich für ihn ein. Der Fürst ist bereit, ihn mit Agathe zu vereinen, wenn er sich ein Jahr lang als tugendhafter Jäger bewährt. Kaspars Leichnam lässt er in die Wolfsschlucht werfen. Die Sitte des Probeschusses schafft er für alle Zukunft ab, damit nie wieder ein Mensch dadurch in Versuchung geführt werden kann.

Zum Werk: Weber schrieb den "Freischütz" auf Wunsch des Berliner Intendanten Graf Brühl. Der Stoff beschäftigte ihn schon 1810; damals war Das "Gespensterbuch" von Johann August Apel (1771-1816) und Friedrich Laun (1770-1849) erschienen, in ihm fand er die Sage. Mit einem Freund entwarf er sogleich ein Szenarium, doch dabei blieb es damals. 1816 lernte er im Dresdner "Liederkreis" den Schriftsteller Friedrich Kind (1768-1843) kennen, den er so für den Stoff zu begeistern wusste, dass er den Text in wenigen Tagen ganz ausführte. Den tragischen Ausgang der Sage ersetzte er, wohl unter dem Einfluss Webers, durch einen positiven mit einer sittlichen Idee: Sieg des Himmels über die Mächte der Finsternis. Verkörpert wird diese Idee durch den Eremiten in der Schlussszene der Oper. Zwei weitere Eremitenszenen, mit denen Kind seinen Text eingeleitet hatte, strich Weber aus stichhaltigen dramaturgischen Gründen. - Mit der enthusiastisch aufgenommenen Erstaufführung begann die Oper einen Siegeszug, wie ihn die Geschichte kaum ein zweites Mal aufzuweisen hat. Man spielte den "Freischütz" nicht nur überall in Deutschland, sondern auch im Ausland, dort freilich mit unterschiedlichem Ergebnis. In Paris z.B. wurde er zunächst missverstanden und arg entstellt. 1824 machte man aus ihm dort unter dem Titel "Robin des bois" eine opéra comique und 1841 - mit Rezitativen von Hector Berlioz und einem Ballett (der von Berlioz instrumentierten "Aufforderung zum Tanz") - eine "große" Oper etwa im Sinne Spontinis. - Nach den Ansätzen in E.T.A. Hoffmanns "Undine" (1816, Berlin) und Spohrs "Faust" (1816, Prag, unter Webers Leitung) gilt der "Freischütz" als die erste deutsche romantische Oper. Er verdankt das vor allem den Stimmungswerten und dem volkstümlichen Charakter der Musik, die hier erstmals und mit einfachen Mitteln romantischem Naturgefühl poetischen Ausdruck gibt. Die Ouvertüre - eine "sinfonische Dichtung" aus Themen und Motiven der Oper -, dann die Volkstänze und Weisen, die Jägerchöre, die Lyrik Agathes und Maxens, aber auch die schauerliche Welt Samiels, die unheimliche Musik der Wolfsschluchtszene und der wilden Jagd (ohne Vorgang in der Literatur) - das alles scheint hervorzugehen und zu leben aus der beherrschenden Atmosphäre der Landschaft, des Waldes. Formal ist das Werk gegliedert in Ouvertüre und 16 teils zu größeren Szenen (mit Chören) bzw. abwechslungsreichen Finali erweiterten Nummern, zwischen denen gesprochene Dialoge vermitteln; dem 3. Akt geht eine Zwischenaktmusik voraus, einige Themen werden leitmotivisch verwendet. Stilistisch knüpft Weber zwar an die "Zauberflöte", an die französische opéra comique und gelegentlich auch an die neapolitanische opera seria an, doch seine Sprache ist bis ins Detail von eigener Art durch ihren federnden rhythmischen Schwung, durch ihre Harmonik, ihre instrumentalen Klangfarben und den teils volksliedhaft schlichten, teils schwärmerisch leidenschaftlichen Tonfall ihrer Melodik. Deutlich gegeneinander abgegrenzt sind die treibenden guten und bösen Kräfte der Handlung durch charakteristische Themen, Tonarten- und Klangsymbole sowie durch die Farbwerte der Instrumentation. Weber fügte dem klassischen Orchester kein Instrument hinzu, doch er erschloss der Klangpalette höchst neuartige Reizwirkungen durch die naturselige Verwendung des Hornquartetts, durch gestopfte Hörner, durch die bis dahin kaum beachteten tiefen und teilweise auch höchsten Register der Holzbläser, der Bratschen und anderen Streicher und durch die Schlagzeugbehandlung.


Bild:

Der Schauspieler Horn als Caspar in "Der Freischütz"
Englischer Lithograph um 1840

(Ausführung) um 1840, Kolorierte Lithographie mit Metallblättchen (Collage), 25,4 × 28,8 cm
London, Victoria & Albert Museum

[Bilddatenbank: Englischer Lithograph um 1840. The Yorck Project: 40.000 Meisterwerke. Teil 2: Zeichnung und Grafik, S. 8131 (c) 2007 The Yorck Project]

Quelle:

[Hans Renner: Führer durch Oper - Operette - Musical: Weber, Carl Maria von. Schott's Führer durch die Musikwelt, S. 206
(vgl. Schott-Oper, S. 69 ff.)

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