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Alexej Grigorjewitsch Orlow
* 24. September nach dem jul. Kalender
bzw. am 5. Oktober 1737 nach dem greg. Kalender in Ljublino, Gouvernement Twer
† 24. Dezember 1807 nach dem jul. Kalender
bzw. am 5. Januar 1808 nach dem greg. Kalender in Moskau
Alexei Grigoryevich Orlov
"Russische Günstlinge"
Kapitel 67, Seite 287 - 301
Schloß Moritzburg und Umgebung
Schloß Moritzburg und die Geschichte seiner Entstehung
... Damals bot eben der erste Türkenkrieg Gelegenheiten dar, Ruhm zu erwerben. Orlow war General- Lieutenant, General- Adjutant der Kaiserin, Lieutenant der Chevaliers Garde, Oberst- Lieutenant der Garde Preobratschensky, und Ritter der damaligen Russischen Orden. Mit einem so ausgezeichneten Range wollte er keine subalterne Rolle übernehmen. Gleichwohl konnte man ihm keinen Oberbefehl über, Land-Armeen geben, die alten und erfahrnen Feldherren anvertrauet waren. Er machte also, oder gab vielmehr nur der Kaiserinn den Operationsplan einer Flotte, die in den Gewässern des Archipelagus kreutzen , und Eroberungen in den dortigen Türkischen Besitzungen machen sollte. Der Plan schmeichelte der Ruhmsucht der Kaiserinn, daher gefiel er ihr auch und wurde an genommen. Alexej Gregorjewitsch ward zum, Generalissimus oder General- Admiral der ganzen Russischen Flotte im Archipelagus ernannt. Im Jahre 1771 machte Orlow eine kurze Erscheinung in Petersburg, und brachte noch erweitertere Projekte mit. Er erhielt damals eine Vollmacht, von der Kaiserinn unterzeichnet, wodurch ihm die vollkommenste Gewalt ertheilt wurde, mit der ihm untergeordneten Flotte alle ihm selbst gefälligen Unternehmungen zu wagen, ohne jemals eine Verantwortlichkeit fürchten zu dürfen.
So legal und uneingeschränkt ist weder vorher noch nachher eine Vollmacht gegeben worden. Die ganze Expedition gab den Europäischen Küsten das Schauspiel eines pomphaften Theateraufzuges. Auch in andrer Hinsicht passt dieser Vergleich. Sie war kostbar und zwecklos. Im Jahre 1772 kostete sie schon über zwanzig Millionen Rubel. Sie machte übrigens unbedeutende Eroberungen, die überdies noch beym Frieden zurückgegeben wurden, und brachte für die Besiegten die unglückseligsten Folgen hervor.
Tschesme (Cesme) und Dardanellen bei OpenStreetMap
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Eine von Orlows Großthaten war die Verbrennung der Türkischen Flotte bey Tschesme, wofür er den Beynamen Tschesmenskoy , der Tschesmeer erhielt. Alexis ließ durch den berühmten Hackert in Italien diesen fürchterlich majestätischen Gegenstand auf vier Gemälden aus verschiedenen Gesichtspunkten und in auf einander folgenden Momenten betrachtet, vorstellen. Um dem Künstler die schreckliche Begebenheit recht anschaulich zu machen , ließ der Generalissimus , (freylich mit großer Unbedachtsamkeit) in der Nähe von Livorno ein altes Kriegsschiff in die Luft sprengen. Das Uebrige sollte aber durch Erzählung ergänzt, oder der bilderreichen Phantasie des Malers überlassen werden. Diese schönen Gemälde hängen noch jetzt im Audienzsaale in Peterhof, und sind von einem Englischen Künstler in Kupfer gestochen worden.
Jacob Philipp Hackert: Untergang der türkischen Flotte in der Schlacht von Tschesme
1771, Öl auf Leinwand, 162 × 220 cm
St. Petersburg, Eremitage
Land: Deutschland
Epoche: Klassizismus
[Bilddatenbank: Hackert, Jacob Philipp. The Yorck Project: 40.000 Meisterwerke. Teil 1: Malerei, S. 8994 (c) 2007 The Yorck Project]
Im Sommer des Jahrs 1791 kam Orlow nach Petersburg und wohnte dem Thronbesteigungsfeste in Peterhof bey. Es war für den Psychologen eine ganz eigene und unterhaltende, für den Menschenfreund aber keine genugthuende Bemerkung, diesen Mann an dem Gedächtnißtage dieser merkwürdigen Begebenheit , mit so vielen Theilnehmern derselben zusammengestellt , eben an diesem Orte zu sehen. Man sahe ihm an, daß ihn die Vergangenheit übelgelaunt, die Gegenwart aber unzufrieden machte. Er mochte vielleicht sich selbst sagen: daß, wenn er im Jahre 1762 pflichtmäßiger gehandelt hätte, die Lage Rußlands im Jahre 1791 vortheilhafter seyn könnte; und daß , wenn er in jener Epoche seinem Herrn treu gewesen wäre, er in der jetzigen sich zwar nicht in so glänzenden Vermögensumständen befinden, aber gewiß ein zufriedenes und vorwurfsfreyes Herz haben würde. Orlow sprach damals , wahrscheinlich mehr aus Verdruß als aus Gutmüthigkeit, sehr frey mit der Kaiserinn, und erinnerte sie an ihr Versprechen, den Großfürsten Paul, bey erwachsenen Jahren, zum Mitregenten anzunehmen. Man weîß nicht, was sie ihm antwortete; nur der Erfolg zeigte, daß sie keine Rücksicht auf diese Erinnerung nahm. Alexis ging wieder zurück nach Moskow, und kam, so lange Catharina lebte, nie wieder nach Petersburg.
Aber bald nachher mußte er , und zwar in ganz andern Verhältnissen als sonst, dahin gehen. Paul der 1. bestieg den Thron, und ließ (ein Beweis, daß er die Geschichte Peters des 3., wenigstens zum Theil, kannte) sogleich den Grafen Alexis Orlow nach Petersburg kommen. Mit welchem krampfhaften Gefühl dieser mag gereist, in der Residenz angelangt und in die Audienz gegangen seyn, kann man leicht denken. Diese war bey verschlossenen Thüren, man hörte aber sehr laut sprechen. Es gibt Personen , welche behaupten , von andern gehört zu haben , der Graf sey hinkend aus dem Zimmer des Kaisers gekommen. Dies ist aber nicht erwiesen, und würde auch auf keine Mißhandlung deuten können. Paul der 1. konnte sich nie so sehr vergessen und Orlow eine solche Behandlung nie ertragen. Vielleicht hatte Alexis die Gicht, und ging eben auch hinkend ins Zimmer, denn so viel ist gewiß, daß man ihn bey der Beerdigung Peters des 3. hinkend sahe. Dem sey wie ihm wolle, so war ihm die schrecklichste Rache noch aufgespart.
Er mußte bey der feyerlichen Abholung der Leiche Peters des 3. aus dem Alexander -Newsky- Kloster, von dort bis in das Kaiserliche Winterpalais, und von da bis in die Festung, gerade vor dem Sarge hergehen , und die Kaiserkrone tragen, die er ehemals ihrem rechtmäßigern Eigenthümer hatte rauben helfen, dessen Reste hinter ihm getragen wurden.
Man braucht nicht sehr gefühlvoll zu seynr um zu schaudern, wenn man sich recht lebhaft die Verfassung denkt, in der sich Orlow damals befunden haben muß. Er, einer der ersten Männer an diesem Kaiserhofe, mußte in einem schon hohen Alter und in kränklichen Umständen einen beschwerlichen Weg von mehr als drey Viertelstunden zu Fuß machen, und sich auf demselben der Neugier, dem Hohngelächter und dem Genusse der studiertesteri Rache Preis geben. Es konnte wohl keine Beruhigung füs ihn seyn , einen Mitschuldigen zum Begleiter zu haben. Dieser war der Knées oder Fürst Borjatinsky, der ehemals bey dem Tode Peters des 3. gewesen war, und jetzt ebenfalls ein Reichskleinod trug. Nach der feyerlichen Beerdigung des letztverstorbenen Kaiserpaares mußte Orlow, was er sehr gern that, gleich wieder abreisen , durfte aber nicht in Moskow bleiben , als der neue Monarch sich zur Krönung dahin begab.
Mit Mühe erhielt er die Erlaubniß zu reisen, und ging nach Dresden. Er wollte sich in Sachsen ankaufen , aber die weise Sächsische Regierung , die sich mit dem damaligen Russischen Kaiser, der für die leichtesten Beleidigungen so sehr empfänglich war, nicht überwerfen wollte, suchte diesen Ankauf zu hintertreiben. Knées Borjatinsky war im letzten Lebensjahre Catharinens Oberhofmarschall und Ritter des Alexander-Newsky-Ordens. Nachdem er, gleichwie Alexis Orlow, die Leiche Peters des 3. hatte begleiten müssen, verbannte ihn Paul der 1. auf seine Güter. Ob und wo er jetzt lebt, wissen wir nicht.
Durch Catharinens Gnade war er sehr reich. Seine Gemahlinn war eine Prinzessinn Chowansky, und seine Tochter die schöne und talentvolle Fürstin Dolgoruoky, die wir in Deutschland gesehn haben. Nach der Ermordung Pauls des 1. ging Alexis Orlow nach Rußland zurück, und starb in Moskow im Januar 1808. In öffentlichen Blättern stand : ein achtzigjähriger Sergeant , der dreyßig Jahre lang in des Grafen Orlow Hause gewesen sey, und diesem einmal das Leben gerettet habe, sey mit unter den Leichenbegleitern erschienen, habe den Sarg einsenken helfen , und sey gleich in dem nämlichen Augenblick gestorben.
Man kennt die hohen Ehrenstellen, die er bekleidet hat ; und man wird bemerkt haben , daß er im Charakter seinem Bruder Gregor sehr ähnlich war, doch soll er mehr Verstand als dieser gehabt haben. Ebenfalls öffentliche Nachrichten sagten: Graf Alexis Orlow habe fünf Millionen Rubel in Geld , und zwey und dreyßigtausend Bauern hinterlassen. So reich er auch war, so glauben wir doch, daß diese Angabe übertrieben war. Er würde auf diese Art über viermal hundert tausend Rubel Einkünfte gehabt haben; und so viel hatte er gewiß nicht.
Graf Alexej Gregorjewitzsch Orlow war verheirathet, wir wissen aber nicht, wer seine Gemahlinn gewesen ist. Von ihr hatte er eine Tochter, die schon in ihrem zehnten Jahre Hofdame der Kaiserinn Catharina war. Sie befand sich noch unverheirathet mit ihrem Vater in Dresden. Orlow hatte auch einen natürlichen Sohn, der aber ilegitimirt worden war. Den Namen der Mutter wissen wir nicht; dem Sohne aber hatte der Vater seinen Beynamen Tschesmenskoy gegeben. Er war ein ausser ordentlich schöner Mann. Am Ende der achtziger Jahre hieß es allgemein , daß er hätte Liebling werden sollen, daß aber wegen der Arroganz des Vaters der Fürst Potemkin Bedenken getragen habe, ihm diese wichtige und einträgliche Stelle zu geben. Damals war Tschesmenskoy Officier von der Garde zu Pferde. Nach dem Tode Catharinens der 2. nahm er seinen Abschied als Oberster. Er soll verheirathet seyn.
Russische Günstlinge
Autor / Hrsg.: Helbig, Gustav Adolf Wilhelm von ; Helbig, Gustav Adolf Wilhelm von
Verlagsort: Tübingen | Erscheinungsjahr: 1809 | Verlag: Cotta
Signatur: 1040118 Russ. 54 iv 1040118 Russ. 54 iv
Reihe: Russische Günstlinge
Permalink: Digitale.Bibliothek[at]bsb-muenchen.de
Seite 287 - 301
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